Stalking

Neues vom Überfan

Da ist einer, der glaubt, ich würde meine Sendungen nur für ihn machen. Und einer ruft mich immer im Büro an. Ich könnte die beiden anzeigen. Doch soll ich?

Die Kolumne von Markus Kavka

Einer meiner beiden Lieblingsstalker hat mir gerade wieder geschrieben, deswegen wollte ich an dieser Stelle mal meiner Freude über das neue Anti-Stalking-Gesetz Ausdruck verleihen. Stalking ist jetzt zum Strafbestand erhoben. Einem Täter, der jemandem nachstellt, drohen nun bis zu drei Jahre Haft, in besonders schweren Fällen, zum Beispiel wenn Leben und Gesundheit des Opfers gefährdet sind oder der Betroffene sogar stirbt, sind bis zu zehn Jahre Knast fällig.

Ich persönlich kann nicht von schweren Bedrohungen sprechen, noch scheint das Ganze vergleichsweise harmlos zu sein, trotzdem nervt´s natürlich wie Sau.

Der eine Kollege schreibt fast jeden Tag eine Mail an meine MTV-Zuschauerpostadresse, in der er jeden Satz, den ich im Fernsehen sage, analysiert und auf sich bezieht. Das Fazit seiner Dechiffrierungen lautet stets: Ich mache die Sendungen nur für ihn, er und ich sind quasi eine Person, zwischendurch redet er immer davon, dass "sie" ihn "nicht mehr lange einsperren können" oder dass er zu mir kommt, "wenn alles geklärt ist". Mehrere Male hat er sein Kommen zu bestimmten Zeiten bereits angekündigt, doch vorsichtige Blicke zum MTV-Empfang oder Erkundigungen bei unserem Security-Dienst lassen bis dato darauf schließen, dass hier noch niemand aufgekreuzt ist, auf den das Profil zutreffen würde. Ich weiß auch gar nicht, ob das eingesperrt sein metaphorisch gemeint oder tatsächlich zutreffend ist, wobei ich mir wiederum auch nicht vorstellen kann, dass man in einer geschlossenen Anstalt oder einem Gefängnis derart uneingeschränkten Online-Zugang hat.

Etwas anstrengender ist Stalker Nr. 2, der offenbar irgendwie meine Handynummer rausgefunden hat. Der Typ ist DJ, ich habe ihn sogar schon mal kennen gelernt, als wir nach einer Party in München für ein paar hundert Meter den gleichen Nachhauseweg hatten. Da machte er zwar einen verpeilten, dennoch aber nicht ganz unsympathischen Eindruck. Das ist jetzt vier Jahre her.

Anfänglich bombardierte er mich mit sinnfreien SMS, danach war eine Zeitlang Ruhe, bis in ihm offenbar die Liebe zu meiner MTV-Kollegin Mirjam Weichselbraun entflammte, denn seit gut einem Jahr stalkt er mich und sie. Die Begebenheit in München wird als Anfang einer Bestimmung angesehen, zumindest stand in einer seiner Mails: "Das ist passiert, weil du mich später mal mit Mirjam zusammen bringen wirst." Dieser Spezi war tatsächlich schon ein paar Mal hier, um Mirjam live bei TRL zu erleben. Da aber natürlich nicht jeder dahergelaufene Schwachmat ins Studiopublikum darf (das ohnehin von einer Zuschaueragentur zusammen gestellt wird), musste er sich stets aufs Neue unverrichteter Dinge vom Acker machen, leider aber nicht, ohne vorher terrormäßig bei mir durchzuklingeln. Seine Handynummer ist unterdrückt, da gehe ich grundsätzlich nicht ran, allerdings hat das pfiffige Kerlchen sich unter Vorspiegelung falscher Tatsachen mit meinem Büroanschluss verbinden lassen und mich zugequatscht. Etwas hilflos drohte ich mit der Polizei, um anschließend entnervt aufzulegen.

Auch anhand dieses Beispiels habe ich gemerkt, dass da argumentativ nichts auszurichten ist, denn sobald ein Kontakt zwischen Stalker und Gestalktem hergestellt ist, fühlt sich ersterer in seinem Tun noch mehr bestätigt, egal wie abweisend und negativ die Antwort auch ist.

Erledigt haben sich Gott sei Dank die Bemühungen zweier Stalker-Ladies, die sind nämlich noch um einiges derber gewesen als die der männlichen Kollegen. Die eine Frau schrieb mir vor ein paar Jahren ständig Emails. Die beiden ersten beantwortete ich noch, als ich dann aber feststellte, dass es recht flott um ganz andere Dinge als Fragen zu Sendung oder Bands ging, schrieb ich nicht mehr zurück. Ihre Mails wurden immer expliziter, aber auch immer wütender. Irgendwann lauerte mir die Dame, deren Äußeres ich ja nicht kannte, bei einem DJ-Booking auf. Sie stürmte im Club aus heiterem Himmel auf mich zu und schüttete mir mit den Worten "Das hast du verdient!" ein volles Bierglas ins Gesicht, beim anschließenden Handgemenge offenbarte sie schließlich ihre Identität. Die Security verfrachtete sie nach draußen, von weiteren Maßnahmen sah ich ab, ich hörte danach auch nie wieder was von ihr.

Bei der zweiten Lady dachte ich kurz darüber nach, die Polizei einzuschalten. Ich wurde in einem Club von ihr angesprochen, und entweder ist sie mir direkt an dem Abend oder irgendwann anders gefolgt, jedenfalls wusste sie offensichtlich, wo ich wohnte. Über Wochen hinweg klingelte es jedenfalls mitten in der Nacht Sturm bei mir. Irgendwann hat sie sich auch Zutritt ins Haus verschafft, trommelte an meine Wohnungstür und schob ein Blatt Papier unter der Tür durch. Es war ein selbstgemaltes Bild, das sie in Gestalt einer Katze mit einem Messer in der Hand zeigte und mich blutüberströmt auf dem Bett liegend. Das war dann weniger lustig, aber auch da saß ich die Sache aus, zumal ich keine Ahnung hatte, was ich der Polizei verwertbares erzählen sollte, ich hatte ja keinen Namen oder keine Telefonnummer dieser Spinnerin. Etwas mulmig war es mir eine Zeitlang aber schon, wenn ich nachts nach Hause kam.

Im Zuge der Diskussion über das neue Gesetz war ich überrascht, wie viele Menschen gestalkt werden. Jeder zehnte Deutsche ist davon betroffen, 80 Prozent der Opfer sind Frauen.

Dennoch, Gesetz hin oder her, irgendwie habe ich noch immer Hemmungen, einen der beiden aktuell umtriebigen Jungs anzuzeigen. Will mich ja auch nicht so wichtig machen. Oder ist das dumm von mir? Ist Vorsicht nicht die Mutter der Porzellankiste? Ach, ich weiß auch nicht, erst mal abwarten...

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11 / 2007
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