Spam-Mails

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Pillenwerbung oder Schwanzverlängerung: Jeder bekommt Spam-Mails. Aber wer verdient damit eigentlich Geld?

Von Ingrid Brodnig

Wer schreibt mir Spam?

Spam ist mittlerweile ein hochprofessionelles Geschäft geworden, hinter dem meist kriminelle Banden stecken – etwa die "HerbalKing"-Gang, die von Indien aus für Penisverlängerung wirbt, oder der Spammer "Alex Blood", der auch mit Kinderpornografie handeln soll. Diese Gruppen agieren häufig von Ländern wie China, Russland, aber auch der USA aus und sind freilich an ihrer Anonymität interessiert. Wer sich trotzdem ein paar Fotos der meistgesuchten Spammer ansehen möchte, findet diese bei Spamhaus. Laut dieser bedeutendsten Anti-Spam-Organisation, stammen achtzig Prozent der unerwünschten Mails von nur 200 Banden.

Woher haben die meine E-Mail-Adresse?

Spammer hantieren mit zigmillionen Mail-Adressen, die zum Teil gestohlen, von unseriösen Webseiten verkauft oder im Internet aufgeklaubt wurden. Für letzteres werden sogenannte "Crawler" eingesetzt. Das sind Computerprogramme, die Webseiten nach Mail-Adressen durchsuchen. Deswegen sollte man nicht einfach seine Adresse auf irgendwelchen Foren oder Webseiten veröffentlichen – und wenn doch, dies mittels einer Bilddatei tun. Denn wer seine Mail-Adresse auf einem Bild darstellt, macht diese zwar für einen Menschen, nicht aber für ein Computerprogramm lesbar. Dieses kann schließlich keine Grafiken entziffern.

Wer hat Spam erfunden, woher kommt der Name?

Man könnte behaupten, Monty Python hat Spam erfunden. Aber Spam ist ursprünglich der Name eines Dosenfleischprodukts der Firma Hormel Foods Corporation, das vor allem während des Zweiten Weltkriegs in England gegessen wurde und bei Soldaten, die durchgehend Spam bekamen, unbeliebt war.

Die erste Spam-Mail wurde vor dreißig Jahren, am 3. Mai 1978, versendet, als das Internet noch Arpanet hieß und nur wenige tausend Internetuser hatte. In der Aussendung warb der Marketing Manager Gary Thuerk für neue Computer. Spam war schon damals unbeliebt: Unter den 400 Adressaten meldeten sich einige wütend zurück.

Fallen Leute wirklich noch auf Spam herein?

Ja, manche Menschen klicken tatsächlich auf Spam. Das liegt einerseits daran, dass einige Nachrichten gezielt Zielgruppen wie Fetischisten oder Medikamentabhängige ansprechen, und andererseits an der Dummheit der User. Besonders beliebt ist Spam für Pornos. Laut einer Analyse der IT-Sicherheitsfirma Secure Computing aus dem Jahr 2006 klicken 5,6 Prozent der User auf Massenmails, die pornografische Inhalt bewerben – hingegen nur 0,002 Prozent auf Aussendungen für pharmazeutische Produkte. Das Problem ist: Spammer verschicken so viele Millionen E-Mails, dass sie selbst dann ein Geschäft machen, wenn nur einer unter tausend darauf reinfällt.

Wie kann ich jemanden engagieren, der für mich Spam versendet, und wieviel kostet das?

Es kostet nicht viel, Millionen von Menschen mit einem Mail zu belästigen. Wer Kontakt zu Spammern aufnehmen will, muss sich aber in dunklere Ecken des Internets begeben – nämlich Foren oder Chatrooms, auf denen sich Cyberkriminelle herumtreiben. Für 350 Euro finden sich dort Leute, die 20 Millionen E-Mails aussenden. Das hat der Antivirenhersteller Gdata herausgefunden. Es gibt allerdings auch Geschäftsmodelle, bei denen die Spammer umsatzbeteiligt sind: Sie bewerben beispielsweise eine Pornoseite und für jeden vermittelten Kunden erhalten sie Geld.

Wieviel Geld verdienen Spammer?

Laut FBI haben Spammer allein in Amerika letztes Jahr rund 170 Millionen Euro eingenommen. Dass sich mit Massenmails viel Geld machen lässt, zeigt das beispiel des "Colorado Spam King" Edward Davidon. Der Amerikaner war aufgrund seines Spammens verurteilt worden und kam im Juni erneut in die Schlagzeilen. Er floh im Juni aus dem Gefängnis und tötete seine Frau, die Kinder und sich selbst.

Vor seiner Inhaftierung hatte der Spam King gut verdient: 3,5 Millionen Dollar zwischen 2003 und 2006. Dabei war er nicht einmal einer der wichtigsten Spammer. Selbst kleine Fische verdienen durchaus fünfstellige Beträge pro Monat.

Von Viagra- und Rolexwerbung hin zu Spam, die "Obama" im Betreff stehen haben. Gibt es Trends bei Spam-Mails?

Ja, denn die Spammer müssen sich ständig neue Tricks überlegen. Der Grund dafür ist das Katz-und-Mausspiel zwischen den IT-Sicherheitsfirmen und ihren Gejagten. Früher wurden in Massenaussendungen zum Beispiel häufig Bilder verwendet, um diese am Spamfilter vorbeizuschmuggeln. Die Sicherheitsprogramme sind mittlerweile aber klüger geworden, also haben sich auch die Spammer angepasst.

Die Cyberkriminellen entwickeln allerdings auch deswegen ständig neue Spamformen, weil sie die Internetuser erneut überrumpeln wollen. Derzeit sind beispielsweise schockierende Betreffszeilen recht beliebt, die den User zum Klick auf die Mail bringen sollen. Da heißt es beispielsweise "Lastest! Obama quits presidential race".

Warum enthalten viele Spam-Nachrichten Wörter, die überhaupt keinen Sinn machen?

Manchmal wundert es einen, was für Schrott im Postfach landet. Manche E-Mails sind kaum lesbar, so sehr wurde an den Wörtern gefeilt. Da heißt Viagra plötzlich "Vl@GR@" oder wird als "Red Bull für Ihr bestes Stück" bezeichnet.

Der Grund dafür ist, dass jeder Spamfilter sofort auf Wörter wie "Viagra", "Penis" oder "Rolex" anspringt. Mittels kreativer Sprache versuchen Spammer, die Software zu überlisten. Den Gutteil ihrer Zeit verbringen sie damit, auszutesten, ob Mails auch tatsächlich beim Internetuser landen. Und das, obwohl der durchschnittliche Empfänger gar nicht zu schätzen weiß, wieviel Mühe in Botschaften wie "Autopilot anstatt Hänger", "Heutzutage ist Impotenz ein Fremdwort" oder "Blaue Pillchen – beleben Geist und Körper" fließt.

Was passiert, wenn ich den Anhang einer Spam-Mail öffne?

Es ist eine ganz, ganz schlechte Idee, den Anhang einer Spam-Mail zu öffnen. Was auf den ersten Blick wie ein PDF-Dokument oder eine Bilddatei aussehen mag, ist nämlich Schadsoftware. Auf diese Weise schleusen die Spammer oftmals Viren oder Trojaner auf fremden Computern ein. Letzteres sind Programme, die ohne Wissen des Users gewisse Funktionen auf dem PC ausführen. Zum Beispiel können sie den Virenschutz eines Computers ausschalten oder gleich wie eine Fernsteuerung für Hacker wirken, mittels der den fremden Rechner dann kontrollieren können.

Solche ferngesteuerten Computer heißen "Zombies". Das Schlimme ist, dass diese Zombies auch dazu eingesetzt werden, um über diesen Computer unzählige Spam-Mails zu verschicken oder einzelne Webseiten anzugreifen. Spam wird also nicht nur verbreitet, um irgendwelche Produkte zu verkaufen, sondern auch, um Erpressung oder Sabotage zu betreiben.

Verlieren oder gewinnen wir den Kampf gegen Spam?

Ähnlich wie beim Kampf gegen Drogen, ist kein Ende in Sicht: Laut Schätzungen sind zwischen siebzig und achtzig Prozent des Mailverkehrs verspammt, mittlerweile werden pro Jahr 100 Milliarden ungewünschter Massenmails ausgesendet. Zwar ist immer wieder von verurteilten Spammern zu lesen, die wirklich bedeutenden Banden wurden bisher aber nicht zerschlagen.

Bill Gates hatte 2003 noch versprochen, dass das Problem bis 2006 beseitigt sein würde. Doch die Cyberkriminellen haben es bisher immer geschafft, auf jeden technischen Fortschritt eine Gegenstrategie zu entwickeln. Das grundsätzliche Problem ist die Rentabilitäz von Spam: Solange durch den massenhaften Versand von E-Mails viel Geld gemacht werden kann, werden dies einige wenige weiterhin tun.

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38 / 2008
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