Religion

Bibeltreue Atheisten

Amerikanische Ungläubige wie der Filmemacher Bill Maher und der Autor A. J. Jacobs nehmen die Bibel beim Wort. Das ist lustig.

Von Tin Fischer

Glaubt man der Bibelgeschichte, dann saß Jona drei Tage und drei Nächte in einem Wal – und wurde dann lebendig ausgespuckt. Das sei eine seiner liebsten Nonsens-Geschichten aus der Bibel, sagt Bill Maher. Und immer, wenn er Christen darauf hinweise, antworte man ihm, dass die Bibel wörtlich nicht Wal, sondern "großer Fisch" sage. "Oh ja: Großer Fisch! Jetzt macht es Sinn!"

Markige Sprüche klopft der amerikanische Satiriker Bill Maher normalerweise in seiner Fernseh-Show auf dem Pay-TV-Sender HBO. Anfang Februar kommt sein Film "Religulous" in die deutschen Kinos. Der Film ist ein Roadtrip zu den Hotspots von Judentum, Christentum und Islam. Von der Trucker-Kapelle am Highway über den Tempelberg und den Vatikan bis zum "Holy Land Experience"-Park in Florida. Überall trifft Maher Gläubige, fragt sie nach ihrem Glauben – und danach, ob das wirklich ihr Ernst sei. Was Maher von Religion hält, offenbart schon der Titel "Religulous", eine Mischung aus "Religion" und "ridiculous", dem englischen Wort für "lächerlich". Auch interessant: der Regisseur des Streifens, Larry Charles, hatte zuvor "Borat" gedreht.

Eigentlich hat es einem als Atheisten in den letzten Jahren nicht an Argumenten gefehlt. Religionskritische Autoren wie Christopher Hitchens ("Der Herr ist kein Hirte", links abgebildet in der englischsprachigen Originalfassung) oder Richard Dawkins ("Der Gotteswahn") toppten die internationalen Beststeller-Listen. Nur: Spaß gemacht haben diese Bücher nicht. Ein Zeuge Jehovas vor der Tür ist locker-lässige im Vergleich zum zwängelnden Oxford-Professor Dawkins. Einen besonderen Reiz hatte der Atheismus bislang nicht.

Mit Komiker Bill Maher und Buchautor A. J. Jacobs versuchen zwei amerikanische Atheisten jetzt etwas neues. Statt Religion mit wissenschaftlichen Argumenten anzugreifen, tun sie das selbe, was auch streng gläubige Christen versuchen: sie nehmen die Bibel beim Wort.

Mahers Maulwerk könnte ebenso gut von einem evangelikalen Prediger stammen. "Warum ich weiß, dass ihr nicht wisst, was nach unserem Tod kommt?", spricht er in die Kamera, unterlegt mit einem Soundtrack aus alttestamentarischen Filmen. "Weil ich es nicht weiß. Und ihr besitzt keine mentalen Fähigkeiten, die ich nicht habe!"

Den umgekehrten Weg geht A. J. Jacobs: Anstatt zu predigen versuchte er ein Jahr lang nach allen Regeln der Bibel zu leben. Mehr als 700. Dass Jacobs in New York lebt und für ein Männermagazin arbeitet, machte die Sache nicht einfacher - für die Leser seines Ende 2008 erschienen Buches "Die Bibel und ich" dafür umso amüsanter. Erst durch sein Experiment scheint Jacobs aufzufallen, dass nicht viel übrig bliebt, wenn man aus den Filmen, die er für sein Magazin rezensiert, die "unchristlichen" Passagen raus schneiden lässt. Homosexuelle Figuren und "anzügliche Tanzeinlagen" inklusive.

Gläubig ist Jacobs nicht. Und er will es auch nicht werden. Im Gegensatz zu Maher versucht er die Bibel aber nicht der Lächerlichkeit preiszugeben. Das Alte Testament ist ihm zwar eine dankbare Witzvorlage. Trotzdem gesteht er: "Ich habe Angst, dass ich das ganze Jahr mit den kuriosen Bibelstellen verplempern und die Passagen über Güte und Gerechtigkeit vernachlässigen könnte."

Schließlich komme es in der Bibel doch einzig auf Liebe, Gerechtigkeit und Demut an. Ein bisschen davon scheint auch in seinen Alltag vorzudringen: Über ein YouTube-Filmchen, in dem ein Fernsehsprecherin von einem Scheinwerfer erschlagen wird, kann er nicht mehr lachen. Stattdessen versucht er sich nach ihrem Wohlergehen zu erkundigen.

Die USA sind das erste Land, in dem Staat und Kirche rigoros getrennt wurde. Und bei weitem nicht alle Amerikaner sind gläubig. Maher hält die Atheisten für die größte amerikanische Minderheit. 10 - 15 Prozent der amerikanischen Bevölkerung dürften es sein – mehr als Homosexuelle, National-Rifle-Association-Mitglieder und Afro-Amerikaner. Trotzdem bekennt sich nur ein einziger Politiker in Washington, ein Senator aus Kalifornien, zu seinem Atheismus.

Amerikas Atheisten und Agnostiker fühlen sich dagegen seit jeher zu kritischem Denken und provokanten Aussagen angestachelt. Der Amerikanische Ur-Intellektuelle Thomas Paine, den Barack Obama in seiner Vereidigungsrede neulich prominent zitierte, fozelte bereits im 18. Jahrhundert, dass es ein wesentlich größeres Wunder gewesen wäre, wenn nicht der Wal Jona, sondern Jona den Wal verschlungen hätte. Im Übrigen sei die Wahrscheinlichkeit, dass hier jemand gelogen habe, doch wesentlich größer, als dass jemand drei Tage in einem "großen Fisch" überlebte.

Mehr Infos über die "bibeltreuen Atheisten" gibt es auf ihren Internetseiten: ajjacobs.com und billmaher.com

8 / 2009
ZEIT ONLINE