Skurrile Musik

Queen Mary jodelt

Die Australierin Mary Schneider jodelt Opern-Musik von Bizet, Rossini und Mozart. Manche finden das lustig. Aber "Australia's Queen of Yodelling" meint es ernst.

Ein Interview von Oskar Piegsa

Zuender: Frau Schneider, Sie sind in Australien geboren worden und aufgewachsen. Wie sind Sie da zu der alpinen Tradition des Jodelns gekommen?

Mary Schneider: Nun, Musik war in meiner Familie immer sehr wichtig. Meine Geschwister sind alle sehr musikalisch. Das mit dem Jodeln fing bei mir an, weil wir viel Country gehört haben, als ich ein kleines Mädchen war.

Zuender: Moment, Country? Nicht europäische Volksmusik?

Mary Schneider: Nein, Country und Western – traditionelle amerikanische Musik, die damals auch bei uns in Australien im Radio gespielt wurde. Am Ende mancher Country-Songs wurde ein bisschen gejodelt. Das haben sich die Musiker in den Vereinigten Staaten von den Einwanderern aus Deutschland und der Schweiz abgeguckt. Jahre später hörte ich diese Aufnahmen als kleines Mädchen in Australien und dachte: Das kann ich auch.

Zuender: Das Jodeln hat also nichts mit ihrem deutschen Nachnamen zu tun.

Mary Schneider: Mein Urgroßvater Christoph ist mit seiner Frau Christina aus Deutschland nach Australien ausgewandert. Damals ging das nur per Schiff und dauerte drei Monate. Aber ihr Sohn, mein Großvater, starb vor meiner Geburt. Ich habe meine deutschen Vorfahren also nicht mehr erlebt. Aber vielleicht habe ich das Jodeln ja von ihnen geerbt! Ich war jedenfalls erst sechs Jahre alt, als ich begann, in unseren Mangobaum zu klettern und dort Jodeln zu üben. Später nahm ich das Album "The Magic of Yodelling" auf, das verschiedene Stile enthielt: etwas Alpen-Jodeln, etwas Country-Jodeln. Es verkaufte es sich so gut, dass ich dafür erst eine goldene Schallplatte und dann Platin bekam. In einer TV-Sendung wurde ich als Australiens Jodelkönigin bezeichnet, und dieser Titel blieb an mir hängen.

Zuender: Und dann haben Sie begonnen, auch klassische Musik zu jodeln?

Mary Schneider: In den 90er Jahren kam mir diese Idee in einem Traum! Ich träumte, ich würde in einem wunderschönen Abendkleid eine Marmor-Treppe hinabsteigen. Ich bin eine ausgebildete Sopranistin, doch ich träumte, ich würde dabei eine Arie nicht singen, sondern jodeln. Dieser Traum ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Ich bin also zu Tommy Tycho gegangen, einem sehr bekannten Maestro in Sydney, um ihm von meiner Idee zu erzählen. Ich wollte mit einem großen Orchester die "Ungarischen Tänze" von Brahms und andere Stücke jodeln. Es dauerte zwei Jahre, die richtigen klassischen Stücke zu finden, bei denen sich das Jodeln anbietet. Leicht war das bei einigen Stücken von Mozart und den Walzern von Johannes Strauß. "Geschichten aus dem Wiener Wald" ähnelt dem Jodeln sehr. Tycho verstand meine Idee jedenfalls sofort. Ich habe das Geld vorgestreckt und zusammen mit einem 35-köpfigen Orchester nahmen wir meine Stücke auf.

Zuender: Heute taucht Ihre Musik immer wieder in Zusammenhängen auf, in denen man weder Klassik noch Jodeln erwarten würde. Sie waren Gast in der Radiosendung des amerikanischen Proll-Moderators Howard Stern. Und ihr Stück "Yodelling The Mozart" ist im Soundtrack der Kiffer-Serie "Weeds".

Mary Schneider: Meine Musik wurde auch in vielen Spielfilmen verwendet und in allen möglichen Werbeclips – zum Beispiel für McDonalds. Meine Platten werden in der ganzen Welt verkauft, in Asien, Amerika und Europa. Ich nehme an, dass viele Leute das hören und einfach ein bisschen schrullig finden...

Zuender: Schrullig?

Mary Schneider: Naja, schrullig, wissen Sie? Das ist mal was Anderes. Viele denken, meine Musik falle etwas aus dem Rahmen. Ich habe auch viele schwule Anhänger. Die lieben alles, was ein bisschen anders ist. Und sie sind ein wunderbares Publikum!

Zuender: Empfinden Sie sich da als eine Botschafterin der vergessenen Kunst des Jodelns?

Mary Schneider: Sozusagen. Ich war gerade in China um bei einem internationalen Festival für volkstümliche Musik aufzutreten. Die Chinesen schienen meine Musik zu lieben. Verstehen Sie? Die Chinesen! Es ist verrückt, aber das passiert auch erst, seit ich klassische Musik jodele. Klassik ist international bekannt und beliebt. Ich nehme an, dass die Leute überrascht sind, das gejodelt zu hören.

Zuender: Viele Kritiken und Kommentare, dich ich über Sie gelesen habe, klingen ein wenig verschmitzt und ironisch. Wie gehen Sie damit um?

Mary Schneider: Nun, die meisten Menschen wissen meine Kunst zu würdigen. Insbesondere Musiker. Als ich in Deutschland einmal Stücke aus Rossinis Oper "Wilhelm Tell" und Bizets "Carmen" gejodelt habe, haben das die Orchestermusiker geliebt! Und das waren echte Klassik-Profis, die wissen, was sich musikalisch gehört. Aber manchmal verstehen die Leute mich auch nicht und denken meine Musik sei einfach nur lustig. Die lächeln, wenn sie mich hören.

Zuender: Das musste ich aber auch!

Mary Schneider: Ja, meine Musik macht die Menschen fröhlich. Viele Leute erzählen mir, dass sie meine CDs morgens anmachen, um gut in den Tag zu kommen. Aber manche Leute wollen mich auch auf den Arm nehmen, Howard Stern zum Beispiel. Aber der nimmt jeden auf den Arm.

Zuender: Stimmt. Und Sie waren bestimmt gewarnt worden, bevor Sie in seiner Radiosendung auftraten.

Mary Schneider: Der einzige Grund, warum ich zu Howard Stern ging, war, dass er meine Songs drei Wochen lang jeden Morgen spielte. Seine Sendung war mir aber ein bisschen zu viel. Er fragte mich doch tatsächlich, ob ich auch beim Sex jodele. Darauf war ich nicht wirklich vorbereitet. Aber letztlich war es okay und er hat meine Musik sehr gut unterstützt. Ich war auch in anderen Sendungen in den Vereinigten Staaten, und die haben meine Musik alle geliebt und gesagt, dass sie sehr ungewöhnlich sei. Ungewöhnlich! Das ist der richtige Ausdruck.

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47 / 2008
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