Bush-Ehrung

Zur Erinnerung

Am Tag der US-Wahl entscheidet San Francisco auch darüber, ob eine Kläranlage nach George W. Bush benannt werden soll. Ein Gespräch mit den Initiatoren des Entscheids.

von Katharina Ludwig

Ihr wollt George W. Bush ein Denkmal setzen. Warum denn eine Kläranlage?

Michael Jacinto: Die Leute sollen sich an George W. Bush im richtigen Kontext erinnern. Die meisten Politiker wollen eine Statue oder ein Monument, aber schauen wir doch mal auf das Vermächtnis von Präsident Bush: da wäre der Irak-Krieg mit tausenden Toten, Hurrikan Katrina, 10 Billionen Dollar Defizit und vieles mehr… Für eine Bücherei wäre sein Name doch unpassend. Was in einer Kläranlage passiert, symbolisiert die Qualität dessen, was wir in den letzten acht Jahren bekommen haben.

Eure Gegner sagen, durch diese Maßnahme würden die Arbeiter in der Kläranlage für die Politik verantwortlich gemacht.

Brian McConnell: Es ist doch ironisch, dass die Opposition darin besteht, die Ehre der Kläranlage zu verteidigen! Das sagt einiges darüber, wie schlecht die Dinge stehen.

MJ: Ja, unsere Gegner in San Francisco sagen nicht, dass wir den Präsidenten beleidigen oder dass wir schlechte Amerikaner wären. Sie sagen, dass die Umbenennung eine Beleidigung für die Leute wäre, die dort hart arbeiten. Doch selbst die Gewerkschaft, die die Arbeiter vertritt, unterstützt unsere Initiative.

Das klingt, als wäre es nur ein Konflikt der einen Bush-Kritikern mit den anderen.

MJ: In Wirklichkeit geht es doch darum, dass niemand in San Francisco irgendwo den Namen George W. Bush sehen möchte. Die Leute haben genug, sind es leid und wollen endlich ein neues Kapitel aufschlagen. Mir und Brian geht es auch so. Der Punkt ist aber: wenn wir nicht die Gelegenheit ergreifen, sein Erbe mitzudefinieren, dann wird es nur die Geschichte der offiziellen Bush-Memorial-Gesellschaften und seiner Biographen geben. Wir haben eine andere Perspektive, wir sind eine kleine Stimme in einer größeren Erzählung über die vergangenen acht Jahre.

BMC: Auf der einen Seite ist die Initiative ein Witz, aber sie hat auch ernste Seiten. Wir wollen, dass sich die Leute in zwanzig Jahren daran erinnern, dass das hier keine großartige Zeit war. Bush hatte schrecklich lange die Dinge in der Hand und dafür werden wir lange zahlen. So werden Leute fragen, warum man denn eine Kläranlage nach ihm benannt hat. Das ist dann die Stunde der Lehrer.

A propos lehrreich: War es nicht gerade ein Problem dieser Präsidentschaft, Politik allzu leichtfertig zu nehmen und zu vermitteln? Man könnte sagen, ihr tragt ja auch nicht gerade zu einem höheren Level der Auseinandersetzung bei.

BMC: Was wir machen bringt Leute zum Reden und das ist ziemlich clever. Und wir hätten wirklich viel schmutzigere Witze machen können…

MJ: Man muss sich nur die Umfragen ansehen: 80 Prozent der Leute denken, dass die USA auf dem falschen Weg sind. Wir spielen nicht Sprachrohr für irgendeinen bestimmten Grund von mehreren, diese Initiative zu unterstützen. Wir bieten einfach diese eine Frage an und die Wähler können dann selbst assoziieren.

BMC: Das ist ja keine komplizierte Kampagne. Leute können selbst für sich nachdenken. Und wenn Menschen nicht die Zeit haben einen Satz zu lesen und ja oder nein zu sagen, dann sollen sie es bleiben lassen.

Die Republikaner von San Francisco haben sich wenig überraschend gegen euren Antrag ausgesprochen und ihn "kindisch" und "dumm" genannt. Aber auch die Demokraten wollen euch nicht offen unterstützen. Überrascht euch das?

BMC: Nein, In 2006 gab es mit "Proposition J" in San Francisco eine Abstimmung, ob die Stadt ein Amtsenthebungsverfahren fordern soll. Es wurde mit 59 Prozent angenommen, das war eine klare Botschaft. Aber unsere Abgeordnete, Nancy Pelosi, ignorierte einfach das Ergebnis.

MJ: Eine Motivation für mich ist auch, dass man Bush schon während seiner Amtszeit zur Rechenschaft hätte ziehen müssen. Das ist nicht geschehen. "Proposition R" ist keine Lösung für dieses Problem, aber ein Antwort darauf.

BMC: Ein Schild auf einem Gebäude ist nur eine kleine Sache, aber wenn der Antrag mit 50 Prozent und einer Stimme durchgeht, dann muss er auch umgesetzt werden.

Macht ihr euch damit auch über die US-Demokratie insgesamt lustig?

MJ: Wir machen genau das, wofür das System gedacht ist. Ich habe mir große Sorgen gemacht, ob die Kampagne eine Verschwendung von Steuergeldern ist, gerade in der jetzigen Finanzkrise in San Francisco, in Kalifornien und ganz USA. Laut offiziellen Angaben kostet die Umsetzung aber insgesamt 30.000 Dollar, das sind 10 Cent pro Einwohner von San Francisco.

Wie viel habt ihr denn bis jetzt für die Kampagne ausgegeben?

In vier Monaten bis jetzt rund 1100 Dollar. Davon brauchten wir das meiste, um für Brian Uncle Sam-Kostüme zu leihen. Ansonsten arbeiten wir mit Mund-zu-Mund-Propaganda, Internet-Postings und gelegentlich der einen oder anderen strategischen Party. Zumindest lokal ist das die günstigste Kampagne eh und je. Wir setzen ein demokratisches Zeichen, dass, wenn jemand den Willen hat etwas zu tun, es hier auch ein System gibt, in dem das möglich ist.

Was erwartet ihr von der Präsidentenwahl? "Wandel" oder Recycling auf beiden Seiten?

MJ: Wenn der Antrag durchgeht und Obama gewinnt, hat es einen starken Effekt. Wenn er durchgeht und McCain gewinnt; dann weiß ich nicht. Auf der Makro-Ebene zu urteilen ist schwierig, weil San Francisco im Vergleich zum übrigen Land wie eine Blase ist.

Ein US-Kommentator meinte ja auch, wenn ihr die Wahl gewinnt, sage das mehr über San Francisco als über George W. Bush.

BMC: Ja, es sagt viel über San Francisco, diese schrullige Stadt. Wir kümmern uns nicht so sehr darum, was der Rest des Landes denkt.

MJ: Gleichzeitig wurden wir als Einwohner dieser Stadt so lange in Schubladen gesteckt, darum geht es zu einem Teil auch darum, den Leuten zu geben, was sie erwarten - und es ihnen mit gleicher Münze heimzuzahlen. Wir haben mit 20.000 Leuten gesprochen und 12.000 Unterstützungsunterschriften gesammelt. Ich bin ja nicht einfach eines Morgens aufgewacht und habe dieses Schild aufgehängt. So funktioniert Demokratie nun mal. Und falls der Rest des Landes ein Problem damit hat: Hey, ich habe auch ein Problem mit ein paar Ergebnissen aus Oklahoma!

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45 / 2008
ZEIT ONLINE