Hochzeit (1)

Klischee oder Kaugummi-Automat?

Mein Freund und ich werden heiraten. Das Problem: Wir haben leider keine Ahnung, wie das geht. Das fängt schon an bei den Ringen... Ein Krisenbericht.

Von Meike Richter

Jahrelang war ich Mitglied im "Club der schwer vermittelbaren Mädchen". Ich war ein hoffnungsloser Fall. Dann habe ich mich doch noch verliebt. Um nicht die Lesergeduld zu strapazieren, mache ich es kurz: Wir heiraten demnächst.

Uns schwebt ein lustiges Fest inmitten unseres Freundes- und Familienkreises vor. Unkompliziert. Da weder mein Freund noch ich wissen, wie man so ein Ereignis bewerkstelligt, haben wir uns Fachzeitschriften gekauft. Wir hofften, in Hochglanz-Magazinen mit Titeln wie "Heirat", "Heiraten", "Hochzeit", "Braut", "Die Braut", "Die Braut in weiß", "Weiße Braut" nützliche Anleitungen zu finden. Wir werden enttäuscht. Die Redakteure dieser Blätter beeindrucken mit verwegenen Vorstellungen: Sie schlagen zum Beispiel vor, dass wir den Tischschmuck selber basteln sollen. Aus Rosmarinzweigen, wahlweise aus Fimo-Knete.

Erstens: Das Brautkleid
Außerdem raten mir die Magazine zu einem weißen, tief ausgeschnittenen Korsagen-Kleid, inklusive Schleppe und Prinzessinnen-Krönchen. Mindestens 1500 Euro soll ich dafür kalkulieren. Mir schwebt ehrlich gesagt ein Kleid mit Muster vor. So in der Art, wie die Sitze in öffentlichen Verkehrsmitteln, da sieht man die Flecken nicht so drauf. Und man kann es öfter anziehen.

Zweitens: Die Reaktionen
Die Fachmagazine suggerieren, dass die Hochzeitsreise mindestens nach St. Tropez gehen muss. Ich erkenne, dass ich so nicht weiter komme. Die Magazine landen im Altpapier und ich frage Familie und Freunde um Rat. Bei der Gelegenheit gebe ich auch gleich bekannt, dass ich Gedenke, "den Bund fürs Leben zu schließen", wie die Magazine das nennen. Die Reaktionen sind verhalten. Meine Mutter freut sich: "Ein studierter Philosoph, der auch noch Lampen anbringen kann ist eine seltene Kombination, Kind! Kannste heiraten."

Ich gebe auf und versuche, mir Rat bei Gleichaltrigen zu holen. Die Schulfreundin gibt sich völlig überrascht: "Du heiratest? Also, das hätte ich nie von dir gedacht!" Der schwule Bürogenosse rümpft die Nase: "Heiraten? Ist das nötig? Na, du musst es ja wissen." Ein Kollege beschimpft mich ein bisschen: "Dass du so konservativ bist! Enttäuschend." Ich weiß um seine fünf Kinder von drei verschiedenen Frauen und lächle über ihn hinweg.

Spekulationen über meine Gebärmutter entbrennen: Ungefähr 37 Mal werde ich gefragt, ob ich schwanger bin. Bin ich nicht. Ich habe einfach vom tollsten Mann des Universums einen Heiratsantrag bekommen und "ja" gesagt. Ich mache den Fehler und fauche diese Begründung einmal den unverständigen Kollegen entgegen. Seitdem lassen sie immer Grüße an "Mister Universum" ausrichten, dabei kichern sie vor sich hin. Brauchbare Tipps, wie man eine Hochzeit organisiert, gibt mir keiner.

Drittens: Die Örtlichkeit
Ich besinne mich auf mich selbst und meine praktische Ader. Was braucht man zum Heiraten? Natürlich einen Ort zum Feiern. Der Zufall kommt zu Hilfe. Eine Bekannte hat ein Haus auf dem Lande mit großem Kneipensaal. Was sie nicht hat sind Computer und Internet. Wir vereinbaren einen Tausch: Wir besorgen ihr Rechner und einen Breitbandanschluss und zeigen ihr die Wunderwelt des WWW. Im Gegenzug bekommen wir ihr Haus für ein Wochenende. Topp. Die Bekannte sitzt neuerdings häufig vor ihrem Laptop und schaut Muppet-Show-Clips auf YouTube.

Viertens: Das Essen
Die nächste Hürde ist die Verpflegung. Wir fragen in der Umgebung. Schwierig. In dem dünn besiedelten Landstrich in Mecklenburg-Vorpommern erzielt die NPD zweistellige Ergebnisse, Restaurants gibt es kaum. Nur Schlachtereien, die Partyservice anbieten. Sie faxen uns Angebote zu. Es gibt Schlachterplatte in vielen Variationen: Vom Rind, vom Schwein, vom Huhn, vom Wild, vom Kaninchen... dazu Sättigungsbeilage (Kroketten). Eine Schlachterei bietet als Vorspeise Gyrossuppe an. Nach langem Suchen finden wir einen westlich gelegenen Cateringservice, der auch Gemüse zubereitet.

Fünftens: Die Ringe
Ringe brauchen wir auch noch. Wir werden bedrängt, sie in Kursen selbst zu schmieden. Das mache man jetzt so. Eine Freundin weiß von einem Paar zu berichten, das sich in die Ringe den Spruch "Glühen, ohne zu verbrennen" hat eingravieren lassen. Auf Lateinisch! Mein Freund schlägt vor, welche aus dem Kaugummi-Automaten zu ziehen.

Sechstens: Die Lösung!
Wie es üblich ist, pflegen auch unsere Verwandten Fehden und Feindschaften. Ich zerbreche mir den Kopf, wie die zürnenden Onkel, Tanten und geschiedenen Eltern unter Kontrolle zu halten sind. Da bekomme ich den bisher einzigen brauchbaren Hochzeitstipp: Ein befreundeter Künstler, der vorzugsweise seinen Galeristen auf lebende Hafflinger-Pferde setzt und diese dann zusammen ausstellt, zerstreut alle meine Sorgen mit einem Satz: "Begreife die Hochzeit als Performance." Hauptsache, der DJ taugt was.

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35 / 2008
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