EM in Österreich

"Wenn wir nur mal treffen täten"

Die Autoren Claus Farnberger und Gerald Simon haben einen satirischen Ratgeber verfasst, mit dem das Wunder von Wien gelingen könnte: der EM-Sieg im eigenen Land gegen Erbfeind Deutschland.

Von Saskia Bellem

Córdoba. Stadt in Argentinien, Zauberwort in Österreich. Seit 1978 symbolisiert der Mythos Córdoba den österreichischen Fußballtraum. Damals wurde Deutschland mit 3:2 in der WM-Vorrunde geschlagen. Das Spiel wird noch heute bis ins kleinste Detail diskutiert - als habe es gestern stattgefunden und nicht vor dreißig Jahren.

Die Realität sieht anders aus: Österreich hat sich 2008 zum ersten Mal für eine Europameisterschaft qualifiziert. Wobei auch das irreführend formuliert ist: Der Gastgeber darf den Regeln der UEFA zufolge immer mitspielen.

Dennoch sollen manche Österreicher glauben, ihre Mannschaft habe eine Chance. Für Claus Farnberger markiert das Jahr 1978 den Beginn einer nationalen Schizophrenie: "Wer die österreichische Seele kennt weiß, dass wir immer zwischen zwei Extremen schwanken: Minderwertigkeitskomplexen und Größenwahn. Wir leiden furchtbar darunter, dass wir im Fußball unbedeutend sind. Wir ärgern uns über die deutschen Nachbarn, die sehr gut Fußball spielen und in unseren Augen überheblich sind. Aber wenn es um den Skisport geht, sind wir Österreicher ebenfalls arrogant. Eine Nische, in der man erfolgreich ist, ist für das kollektive Ego unabdingbar."

Claus Farnberger muss es wissen. Seine Wunder-Fibel, die er gemeinsam mit Gerald Simon vor einem Jahr veröffentlichte, ist in diesen Tagen aus keinem österreichischen Buchladen wegzudenken.

In ihrem Buch geben die beiden der Nationalmannschaft Tipps für die EM: Heimvorteil nutzen. Sex vor dem Spiel. Ein Glücksschwein anschaffen. So in der Art. Zumindest den letzten Ratschlag hat Teamchef Josef "Hicke" Hickersberger schon befolgt. Uschi heißt das arme Tier.

René Moravec glaubt dagegen nicht an solche Spielereien. Der 22jährige sitzt während der Lesung im Publikum und analysiert die Schwachstellen des heimischen Fußballs: "Im letzten Spiel gegen Deutschland hat Österreich besser gespielt als die Deutschen, nur getroffen haben wir nicht. Ich hoffe, dass wir in der EM zumindest ein Unentschieden holen. Wenn wir nur mal treffen täten."

Auch Co-Autor Gerald Simon hat mehr Angst vor der eigenen Mannschaft als vor dem Gegner. Er vertraut auf das göttlich-unberechenbare Element. Fußball ist schließlich eine Art Religion: "Das Schöne am Fußball ist, dass er irrational sein kann. Es ist möglich, die Besseren zu besiegen. Realistisch gesehen werden wir die Vorrunde nicht überstehen, aber als Fan habe ich natürlich Hoffnung. Deutschland spielt in der Gruppe B zuerst gegen Polen und Kroatien. Und wenn sie schon zweimal gewonnen haben, wollen die Trainer im dritten Spiel vielleicht die guten Spieler schonen. Mit etwas Glück ist dann ein Unentschieden drin".

Etwas Glück wird da kaum reichen, es muss schon eine ordentliche Portion sein. Derzeit rangiert Österreich in der FIFA-Weltrangliste auf Platz 101 - direkt hinter Fußball-Großmächten wie Gabun und Algerien. "Ich glaube, dass die fehlende Motivation eine soziale Komponente hat," sagt Farnberger. "Wenn es den Leuten zu gut geht, haben sie diese Identifikationsgeschichten nicht mehr nötig. Unsere Fußball-Kids kicken nicht mehr wie wir früher mit einem Fetzenlaberl (Anm.d.Red.: Fußball aus Stoffresten) auf der Straße, sondern spielen Fußball am liebsten auf der Playstation."

Auch wenn die Chancen für einen Heimgewinn schlecht stehen, hat die Regierung sich nicht lumpen lassen: Eine Wiener U-Bahnlinie wurde symbolträchtig verlängert (Endstation "Stadion"), Bundeskanzler Gusenbauer versuchte mit Parolen wie "Córdoba is back!" die Mannschaft zu motivieren und das Höhenluft-Sauerstoffzelt wurde aus Steuergeldern finanziert. Jetzt muss nur noch ein Wunder geschehen. Aber im Fußball ist ja bekanntlich alles möglich.

Auch wichtig
Das Popduell der Populisten
Nationalratswahlen in Österreich. Im Wahlkampf ein Karaoke-Krieg zwischen Rechtsrap und Techno-Patriotismus entbrannt (Archiv 2006) "
Ihre freundliche Abschiebe-Airline
Billiger, schneller und mit weniger Personal: Der Unternehmer Heinz Berger will europäischen Staaten helfen, unerwünschte Asylbewerber loszuwerden. Asylum Airlines heißt seine Geschäftsidee
Startseite – Zuender. Das Netzmagazin

24 / 2008
ZEIT online