Tabaski
Opferschafe unter Tannenbäumen
Dieses Jahr fällt das muslimische Opferfest in eine Woche mit Weihnachten. Beide Feste werden im Senegal gefeiert. Wie leben die Menschen beider Religionen in dieser Zeit miteinander?
Zu den knapp drei Millionen Einwohnern Dakars, der Hauptstadt Senegals, gesellen sich in der Vorweihnachtszeit tausende von Schafen, die blökend am Straßenrand stehen. Sie werden Weihnachten nicht mehr erleben, denn das muslimische Opferfest Tabaski fällt dieses Jahr auf den Freitag vor Heiligabend. An diesem Tag schlachtet jede Familie, die es sich leisten kann, ein Schaf. Die Tabaski ist einer der höchsten muslimischen Feiertage, vergleichbar mit dem christlichen Weihnachtsfest. Beide sind im Senegal offiziell gleichgestellt. Und wie die Menschen feiern, wenn die Feste auch noch in den gleichen Zeitraum fallen, erzählt viel über das alltägliche Leben mit zwei Religionen.
Die Straßen der Stadt werden am 21. Dezember mit Kadavern und dem Blut der getöteten Tiere gesäumt sein. Eine große Tankstellenkette verlost anlässlich der Tabaski als Hauptgewinn ein Schaf, in vielen Unternehmen gibt es ähnliche Lotterien. Manche Familien verschulden sich für den Kauf eines Schafes hoch, um den Brauch aufrecht zu erhalten und ihr Gesicht nicht zu verlieren. Ein Tier kostet mindestens 40 bis 50 Euro – das ist für viele Haushalte ein ganzes Monatsgehalt. Tabaski ist ein Familienfest, und so versammeln sich alle Verwandten im Haus. Dort wird gegessen, neue Kleider werden vorgeführt und die Kinder beschenkt. Die Bäckereien haben währenddessen ihre Weihnachtsdekorationen angebracht: eine Krippe neben der Kasse, ein aufblasbarer Tannenbaum vor der Tür oder Kunstschnee am Fenster. Das wirkt bei 25 Grad und strahlender Sonne zwar deplatziert, aber rührend. Im Supermarkt findet man aus Frankreich importiertes Weihnachtsgebäck, Nikoläuse aus Schokolade und bunte Dekorationen für die Festtage.
Etwa fünf Prozent der senegalesischen Bevölkerung sind Christen, über 90 Prozent bekennen sich zum Islam. Daneben gibt es noch einige traditionelle animistische Glaubenspraktiken, die sich häufig mit dem Islam vermengen. Das Zusammenleben zwischen den Religionen funktioniert in dem westafrikanischen Land bemerkenswert harmonisch und tolerant. Nationale Feiertage sind nicht nur das Zuckerfest zum Ende des Ramadan und die Tabaski, sondern auch Weihnachten und Ostern. Gemischt-religiöse Ehen sind keine Seltenheit und viele Familien feiern einfach alle Feste, wie sie fallen. Religion wird gerne und viel diskutiert auf den Straßen von Dakar. Der Fastenmonat Ramadan ist wohl der einzige Zeitpunkt, zu dem man auf den ersten Blick erkennen kann, wer hier an welchen Gott glaubt: der hungrige, durstige Blick und die Erschöpfung in der heißen Mittagssonne verraten jeden gläubigen Muslimen. Christen werden dann häufig scherzhaft aufgefordert, aus Solidarität mit zu fasten.
Die Traditionen und Lebensweisen der muslimischen Mehrheit sind in der Öffentlichkeit präsenter. Eine Besonderheit des senegalesischen Islam sind die verschiedenen Brüderschaften, sogenannte confréries. Anhänger einer Bruderschaft folgen einem gemeinsamen spirituellen Führer. Diesem Marabout werden nicht selten auch Zauberkräfte nachgesagt und seine Verehrung nimmt leicht skurrile Züge an. Zum Beispiel wenn junge Männer das Konterfei ihres Marabouts stolz auf ihr T-Shirt drucken oder Taxifahrer auf ihrem Armaturenbrett einen kleinen "Altar" mit seinem Foto arrangieren. Orthodoxe Muslime hingegen kritisieren diese kultische Verehrung.
Aber auch christliche Spuren muss man in Dakar nicht lange suchen. Bewohner der Innenstadt werden Sonntagmorgens vom Glockenläuten der katholischen Kathedrale oder von den Gesängen in der kleinen evangelischen Kirche geweckt, die gegenüber der Moschee zwischen zwei große Wohngebäude gequetscht ist. Freitags steht die Innenstadt aber im Zeichen des Islam, denn zum großen Mittagsgebet versammeln sich hunderte Menschen in und um die Moscheen. Ganze Straßenzüge sind dann gesperrt. Die christliche Minderheit muss solche Einschränkungen mittragen, wird ihrerseits aber von der muslimischen Mehrheit auch anerkannt. Als etwa der in Rom frisch geweihte Kardinal Théodore Adrien Sarr zurück nach Dakar kam, versammelten sich nicht nur zehntausende Katholiken in einem Stadion, um ihn zu feiern. Auch Vertreter der muslimischen Brüderschaften kamen und überlieferten ihre Glückwünsche.
Wie feiern also Muslime und Christen in Afrika, wenn zwei große Feste zur gleichen Zeit stattfinden? Die Antwort für den Senegal lautet: durcheinander und miteinander. Ob das friedliche Zusammenleben durch die Toleranz der Bewohner ermöglicht wird oder ob die Menschen einfach bloß wichtigere Sorgen haben, als sich über den Namen ihres Gottes zu streiten: Den Schafen wird es wohl egal sein, für welches religiöse Fest sie über den Jordan gehen müssen.
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2007
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