Umweltschutz
"Wo ist die Pointe?"
Bei uns können schon Dreijährige Müll trennen. Aber wie ist das mit dem tagtäglichen Umweltschutz in den Ländern, die vom Klimawandel am stärksten betroffen sein könnten? Im Nahen Osten zum Beispiel?
Zuender kooperiert mit dem Weblog mideastyouth.com, in dem junge Menschen aus Ländern des Nahen Ostens über ihr Leben schreiben. Das Netzwerk hat sich der interkulturellen Verständigung verschrieben. Wir haben die Autoren und Leser von Mideastyouth gebeten, für uns zu beschreiben, wie sie im Alltag die Umwelt schützen. Die Originalversionen ihrer Antworten findet ihr hier
Elinor, Iran
Hier bei uns kommen zweimal in der Woche Arbeiter der Stadt und lassen große Müllsäcke aus Plastik da: Einer ist grün, der andere schwarz. Warum sie das tun, wissen wir nicht. Manche Leute glauben, der grüne wäre für recyclebare Materialien, der schwarze für den Rest. Andere sagen, der grüne Sack wäre für leere Dosen. Aber dann kämen ja Plastik, Flaschen und Papier zusammen in den schwarzen — was soll das bringen?
Die Stadtverwaltung scheint zufrieden damit zu sein, dass wir die Säcke irgendwie befüllen und zur Abholung wieder vor die Tür stellen. Die Beamten haben ihren Job ja getan.
Das ist außerdem so ziemlich das einzige, das in Sachen Umweltschutz bei uns getan wird. Ich finde, das sollte nicht alles sein.
Eliesheva, Israel
Ich habe vor kurzem einen Artikel gelesen, in dem stand, dass Israel eines der umweltbewusstesten Länder sei. Aber mir fällt es schwer, das zu glauben. Ich glaube nicht, dass die Zustände hier furchtbar sind – aber ebenso wenig glaube ich, dass alles ganz super ist.
Vielleicht hat es etwas mit unserem öffentlichen Nahverkehr zu tun, der ziemlich gut organisiert ist und von vielen, vielen Menschen genutzt wird. Das liegt aber daran, dass Autos und Benzin sehr teuer sind.
Israel und Jordanien arbeiten zusammen, um das Sterben des Toten Meeres zu bremsen. Sie kooperieren bei der Entsalzung von Meerwasser, denn Wasser ist in beiden Ländern ein knappes Gut.
Das Recycling könnte hier besser sein. Zwar werden Flaschen und Papier getrennt, doch niemand wird bestraft, wenn er das nicht tut. Aber das sind nur meine persönlichen Betrachtungen aus Jerusalem. Ich kann nicht für alle Städte sprechen.
Mohammed, Iran
Meine Stadt (Isfahan) zieht jedes Jahr Millionen von Besuchern an. Die meisten sind Iraner. Sie kommen, weil Isfahan eine historische und sehr saubere Stadt ist. Der Fluss führt klares Wasser. Die Gemeinde kümmert sich sehr um die Müllentsorgung, Umweltverschmutzer werden bestraft: Autofahrer, die Müll aus dem Fahrzeug werfen, müssen zum Beispiel 10 Dollar Bußgeld zahlen.
Viele arme Menschen fahren in die Stadt, um Kunststoff, Papier, Stahl und Aluminium an Recycler zu verkaufen. Auch wenn das im Grunde keine gute Sache ist, hilft es doch, die Stadt sauber zu halten.
Autohersteller sind dazu verpflichtet, Fahrzeuge, die älter als 30 Jahre sind und übermäßig viel Treibstoff verbrauchen, nach und nach durch neue zu ersetzen. Sie müssen die alten Autos von ihren Besitzern zurückkaufen und dafür bis zu 1.000 Dollar bezahlen - fast doppelt so viel, wie es eigentlich wert ist. Die Regierung bietet günstige Kredite beim Kauf von Neuwagen.
Iraner verbrauchen zu viel Energie. Da die Regierung Benzin subventioniert, schenken viele Menschen dem realen Wert keine Aufmerksamkeit. Darum wurde Kraftstoff im vorigen Sommer rationiert, was den Verbrauch etwas senken konnte.
Esra’a, Bahrain
Als ich letzten April durch Marocco fuhr, habe ich viele Läden gesehen, in denen Taschen und andere Produkte aus recyclebaren Materialien verkauft wurden (Plastikflaschen, Waschmittelboxen, und so weiter). Viele der Touristen haben sie gekauft, um Essen oder Klamotten an den Strand zu tragen.
In Bahrain schert sich niemand groß um die Umwelt, die Situation ist miserabel. Ich wohne nur acht Minuten von der so genannten "Krebs-Zone" entfernt, dort steht eine Aluminium-Fabrik, nicht viel weiter steht eine Kunststoff-Fabrik. Beide sind für die unglaubliche Verseuchung des Meeres hier mitverantwortlich.
In der Schule waren wir gezwungen Papier zu recyclen, das wurde von Studenten überwacht, die dafür sorgten, dass wir das Papier in den richtigen Behälter warfen. Außerhalb der Schule habe ich solche Bemühungen noch nicht erlebt – dort gibt es nur große Müllbehälter für alles. Manchmal werfen Leute ihren Abfall auch einfach so in die Gegend um ihre Häuser. Dort bleibt er viele Tage liegen bis er endlich eingesammelt wird.
Sol, Großbritannien, Marokko
In Großbritannien gibt es politische Parteien, die die Umwelt als Grundlage für ihre neue grüne Politik nutzen. Wir werden immer wieder daran erinnert, welchen Schaden die wohlhabenden Staaten anrichten – und auch daran, dass die Menschen, die am meisten darunter leiden, nicht diejenigen sind, die das meiste CO2 erzeugen.
Was nicht alles getan wird, um die Abfallmenge zu reduzieren! Mülltonnen werden beispielsweise mit Sensoren ausgestattet, aller vierzehn Tage wird der Müll eingesammelt und es gibt recyclebare Einkaufstüten. Das Thema Ökologie gehört nicht länger nur Greenpeace, es ist jetzt Teil der politischen Agenda. Recycling ist längst bis in die Mittelschicht vorgedrungen und gehört zu einem verantwortungsvollen Bürger einfach dazu.
In meinem Heimatland Marocco, wo der Lebensrythmus dem heißen Wetter entspricht, gehen die Menschen anders mit dem Thema Recycling um. Wenn man sie fragt, reißen sie ihren Augen auf und bekommen einen glasigen Blick – mit offenem Mund warten sie auf die Pointe.
Dabei sind sie die perfekten Recycler (meiner Ansicht nach mehr als jedes andere europäische Land) – sie wissen es nur nicht! Wegen der großen Armut wird in Marocco alles gesammelt, was nur irgendwie wiederverwertbar ist und ein paar Cent einbringen könnte. Mülleimer und Rinnsteine werden pausenlos nach Plastik und anderen Materialen abgegrast.
Stoff wird niemals weggeworfen, sondern benutzt, um etwas Neues daraus herzustellen. Möbel werden von einer sozialen Schicht zur nächsten weiter gegeben. Das ist ein Zyklus, der fast alle wiederverwertbaren Dinge beeinflusst.
Ich finde es ironisch, dass die marokkanische Bevölkerung das ganz selbstverständlich empfindet – während in der westlichen Welt Milliarden ausgegeben werden um die Leute zu informieren.
Mir selbst ist das alles eigentlich egal.
50 /
2007
ZEIT online