Selbstmarketing

Die Dummheit der anderen

Nimm etwas altes und packe es in ein neues Gewand - so schnell kommst du in die Wissenschafts-Avantgarde. Teil vier unserer Serie über Selbstmarketing im Netz

Von Carsten Lißmann

Im vierten und letzten Teil dieser Serie wollen wir sehen, wie du mit Hilfe des Internet zu Ansehen in der Wissenschafts-Community kommst. Rund um das Netz sind in den vergangenen Jahren vielfältige Forschungszweige entstanden: Virales Marketing, Community-Building und die Rolle des Journalismus müssen beschrieben und in Theorien gefasst werden.

Zur Übersicht: Alle Teile der Serie

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Ein Merkmal dieser neuen Entwicklung ist es, dass ein Wissenschaftler in diesen neuen Bereichen manchmal kaum von den in unseren vorhergehenden Lektionen beschriebenen Phänotypen zu unterscheiden ist. Es gibt einige Agentur-Gurus und sogar Journalisten, die ihre Karriere mit einem klug gewählten Promotionsthema an einer Universität begonnen haben. Das Ziel ist gleich – nur der Weg dorthin ist ein anderer.

Schritt 1: Bringe dich früh ein

Versuche, schon in den ersten Semestern deines Studiums (ein solches ist nicht verpflichtend, aber sicher von Vorteil, wenn du in Internet-Wissenschaft machen willst) als studentische Hilfskraft bei einem Professor oder Doktoranden deiner Uni anzuheuern. Das bringt dir zum einen etwas Taschengeld ein – vor allem aber Kontakte!

Wenn du richtig Glück hast, kannst du an einem Projekt mitarbeiten, das später als Studie oder Buch veröffentlicht wird. Achte in diesem Fall darauf, dass dein Name dankend im Vorwort erwähnt wird. Wegen der automatischen Indexierung vieler Bücher durch Google Books oder Versandhäuser wie Amazon taucht dein Name automatisch mit dem deines Professors und dem Titel der Studie in sämtlichen Suchmaschinen auf. Später wird sich kaum jemand die Mühe machen, herauszufinden was nun genau deine Rolle eigentlich war. Vom Recherche-Hiwi zum Co-Autor? So schnell kann das gehen.

Schritt 2: Überhole deinen Prof

Du wirst es bald merken: Viele Professoren sind Koryphäen in einem ganz bestimmten Fachgebiet, tun sich mit den neuen und manchmal rasanten Entwicklungen im Netz aber schwer. Nimm vom Wissen deines Profs, was du brauchen kannst, setze es in einen eigenen Kontext und überrasche ihn mit neuen Einsichten in einen Bereich, den er oder sie noch gar nicht bedacht hat:

Die Arbeit von Bloggern in die Begriffe der soziologischen Systemtheorie (die sich schon seit Jahrzehnten am Wandel des Journalismus abarbeitet) fassen? Die Gender-Studies auf die Geschlechterkonstruktion von Community-Usern anwenden? Die globale Kommunikation im Internet auf ihre Auswirkungen auf die Friedensforschung abklopfen? Internationale Zahlungsströme mit dem weltweiten E-Mailverkehr vergleichen? Ja!

Schritt 3: Publiziere!

Wenn du damit einmal Eindruck gemacht hast, und dein Forschungsfeld ernsthaft beackerst, wird dich früher oder später jemand fragen, doch mal ein Essay für ein Handbuch zu schreiben. Viele Wissenschaftler schreiben inzwischen keine Monografien mehr, sondern verlegen sich auf das Herausgeben von solchen Sammelbänden. Und: They need content!

Der Vorteil für dich: Du landest in Inhaltsverzeichnissen, Bibliografien, Online-Buchläden, Suchmaschinen. Du wirst zitiert, kopiert und vielleicht müssen sogar deine Kommilitonen (oder spätere Jahrgänge) deine Texte lesen.

Schritt 4: Kommuniziere

Parallel zu all dem (was tatsächlich harte Arbeit bedeuten kann), solltest du die klassischen Arbeitsmittel des sozialen Netzes nicht vernachlässigen: Lege natürlich ein Weblog an, in dem du humorvoll und mit wohldosierter Selbstironie über deine Arbeit schreibst. Trete den Hard-Bloggin' Scientists bei, das ist ein Netzwerk von bloggenden Wissenschaftlern, die einen ähnlichen Ansatz schon seit geraumer Zeit verfolgen. Vergiss nicht, ein Verzeichnis aller deiner wissenschaftlichen Arbeiten bereitzustellen.

Wo wir dabei sind: Deine faulen Mitstudenten sind deine größte Chance. Jeder recherchiert Hausarbeiten und Referate zuerst im Netz. Biete möglichst viele deiner Werke im Volltext und kostenlos online an (am besten als PDF-Datei, das lässt sich besser formatieren und macht mehr Eindruck), so dass andere Studenten sich darauf beziehen und daraus zitieren können.

Auch Webseiten, die sich auf die Verbreitung von studentischen Werken spezialisiert haben (zum Beispiel www.diplomarbeiten.de ) sind erste Anlaufstelle vieler geplagter Studenten. Stelle deine Arbeiten hier ebenfalls ein. Vergiss die paar Euro, die du damit vielleicht verdienen könntest und verzichte auf die Option, dich für deine Arbeiten bezahlen zu lassen. Der Netzwerkeffekt, der aus dem kostenlosen Download resultiert, ist viel wichtiger!

Schritt 5: Streue deinen Namen

Schritt 5: Streue deinen Namen

Beobachte, was andere Wissenschaftler machen, die sich ebenfalls mit deinem Thema befassen. Bloggen diese auch? Dann kommentiere unter vollem Namen in deren Weblog und hinterlasse einen Link auf deine eigene Seite. Haben sie eine These formuliert, die du bedenkenswert (oder bedenklich) findest? Dann schreibe ihnen eine Mail, diskutiere mit ihnen. Natürlich besteht das Risiko, dass du missverstanden oder für einen Aufschneider gehalten wirst – aber zumindest kennen dann deinen Namen!

Nutze spezielle Online-Communitys wie Xing und richte dir dort ein Profil ein. Eigentlich wurde OpenBC (so hieß Xing früher) für Businesskontakte geschaffen, aber – wir haben es eingangs schon erwähnt – Überschneidungen sind Teil des Plans.

Schritt 6: Forsche im Team!

Hin und wieder gehen auch in Deutschland Projekte an den Start, in denen viele User gemeinsam mit anderen ein bestimmtes Thema erforschen – zum Beispiel den technischen Stand in der deutschen Onlinelandschaft oder die Schreibgewohnheiten deutscher Blogger .

Beteilige dich an diesen Projekten, bring deine Expertise und Arbeitskraft ein! Schreibe darüber natürlich in deinem Blog.

Schritt 7: Besuche Konferenzen

Es klingt fast schon trivial, aber das echte Leben ist ein wesentlicher Bestandteil deiner Kommunikationsstrategie, der deine Bemühungen im Netz ergänzt. Wer deinen Namen aus dem Internet oder einem Literaturverzeichnis kennt, wird sich freuen, dir auch mal in einem Konferenz-Foyer die Hand zu schütteln und den einen oder anderen klugen Satz mit dir zu wechseln.

An Veranstaltungen gibt es keinen Mangel: Kommunikationswissenschaften, Wirtschaftswissenschaften, Informatik und auch Konferenzen zur Wissenschaft an sich kommen am Internet nicht mehr vorbei.

Schritt 8: Wähle deinen Arbeitgeber strategisch

Irgendwann wird es so weit sein: Du hast dein Studium erfolgreich absolviert und vielleicht sogar promoviert. Nun musst du dir einen Arbeitgeber suchen, bei dem du sicher sein kannst, nicht in der Versenkung zu verschwinden.

Die Möglichkeiten sind endlos: Forschungsstellen an Universitäten oder freien Instituten und in den diversen Verbänden sind eine gute Wahl, wenn du dich weiterhin engagierst (siehe oben). Oder aber du wechselst in die Wirtschaft, in Agenturen oder gar Redaktionen. All das hat es bereits gegeben und auch hier gilt: Überschneidung mit unseren bereits behandelten Lektionen ist durchaus erwünscht. Vielleicht wirst du zum gefragten Experten für prekäre Arbeitsverhältnisse, die nebenbei Chefredakteurin einer großen deutschen Online-Zeitung ist? Zurück in die Wissenschaft, an eine (private) Universität, kannst du später immer noch wechseln.

Serie: Erfinde dich neu!
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Teil 1: Tabula Rasa
Gute Vorbereitung ist die halbe Miete
Teil 2: Wie werde ich ein begehrter Bankangestellter?
Teil 3: Wie werde ich Web 2.0-Guru? Oder Journalist? Und wie komme ich in eine wirklich coole Agentur?

48 / 2007
ZEIT ONLINE