Studiengebühren
Wo ist das Geld?
Seit einem Jahr zahlen die Kölner Studenten 500 Euro Studiengebühren. Was ist bisher damit passiert?
Köln, im Juli 2007. Bis zum Vorlesungsbeginn dauert es noch eine halbe Stunde. Die Aula Eins im Hauptgebäude der Universität ist schon jetzt voll. Einzelne suchen nach den letzten freien Plätzen, mancher setzt sich direkt auf den Boden oder bleibt stehen. Knapp ein Jahr nach Einführung der Studiengebühren an der Kölner Universität herrscht in der Mikroökonomik-Vorlesung von Professor Herbert Baum das große Drängeln. Schließlich haben sich über 900 Studenten und Studentinnen in dem Grundstudiums-Fach zur Klausur angemeldet.
Iria Goeke ist eine davon. „Unter verbesserten Lernbedingungen stelle ich mir irgendwie etwas anderes vor“, sagt die 20-Jährige. Seit Oktober 2006 muss die BWL-Studentin neben etwa 150 Euro Semesterbeiträgen zusätzlich 500 Euro Studiengebühren pro Semester bezahlen. „Trotzdem sind fast alle meine Vorlesungen überlaufen“, sagt sie.
Die Kölner Uni hat jetzt etwa 20 bis 22 Millionen Euro mehr pro Jahr. Was ist damit bisher passiert? „In allen Studiengängen ist mehr Geld für wissenschaftliche Mitarbeiter und studentische Betreuungseinrichtungen da“, sagt Axel Freimuth, Rektor der Universität in Köln. Schnell zählt er das auf, was seiner Meinung nach der Erfolg der Studiengebühren ist: Mehr Tutorien, längere Öffnungszeiten in der Bibliothek und eine Neuausstattung der Praktika in der naturwissenschaftlichen Fakultät.
„Das sind alles nur Prestigeprojekte“, sagt dagegen Patrick Schnepper, einer der Asta-Sprecher . Viel sei bei den Gebührenzahlern von dem Geld noch nicht angekommen. „Einige Tutorien wurden vorher aus Landesmitteln bezahlt“, sagt Schnepper. Nach der Streichung der Landesmittel verkaufe der Rektor die Tutorien nun als Errungenschaft der Studiengebühren. Das größte Problem: Die einzelnen Fakultäten entscheiden, was genau mit dem Geld passiert. „25 Prozent des Geldes sind an eine Zielvereinbarung gebunden“, sagt Rektor Freimuth. Das könne zum Beispiel bedeuten, dass mehr Vorlesungen angeboten werden müssen. „Wer seine Ziele nicht erreicht, bekommt in Zukunft weniger Geld.“
Bisher führt die Eigenverantwortung der Fakultäten jedenfalls dazu, dass sich in manchen Bereichen etwas verbessert, in anderen aber nicht. „Im physikalischen Institut wurde der Computerraum komplett neu ausgerüstet, so dass jetzt ausreichend Rechner zur Verfügung stehen“, sagt Physik-Student Fabio Strigari. Anders sieht es bei den Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlern aus. „Da hat sich kaum etwas getan“, sagt Asta-Sprecher Patrick Schnepper. Lehramtsstudentin Kerstin Dohmen findet, dass sich ihre Situation teilweise sogar verschlimmert habe. „Die Studenten vom Philosophikum sind jetzt auch noch in unseren Veranstaltungen, neue Dozenten gibt es nicht.“ Somit sei es doppelt so voll wie zuvor.
Die vom Rektor gelobte Bibliothek, die jetzt länger geöffnet hat, findet dagegen bei den Studenten Anklang. Dass aber nur die Hauptbibliothek aufgewertet wurde, bestätigt die Vorwürfe des Asta. Denn: „Die Büchersammlung der Physik-Abteilung ist noch genauso veraltet wie vor drei Jahren“, sagt Naturwissenschaftler Fabio Strigari.
Neue Ausstattungen und Tutorien hin oder her – überfüllte Hörsäle sind in Köln keine Ansichtssache, sondern weiterhin Realität. Aus Platzmangel schrieb so mancher Student zuletzt seine Klausuren in der Mensa. Rektor Axel Freimuth plant deshalb ein neues Gebäude. „Teile des Projekts können wir aus Studiengebühren finanzieren“, sagt er. Dass die derzeitigen Gebührenzahler davon nichts mehr sehen werden, sei unvermeidbar. „Aber die jetzigen Zahler haben auch schon viel von ihrem Geld.“ Viele Projekte habe man vorher gestartet und aus dem eigenen Etat „vorgeschossen“.
500 Euro mehr pro Semester – das ist eine Summe, die sich mancher Student nicht leisten kann. „Ich kenne Studenten, die aufhören mussten, weil sie ihr Studium nicht mehr bezahlen konnten“, sagt Daniel Weber vom Asta. Rektor Freimuth dagegen sagt, die Zahl der Bewerber an der Kölner Uni sei im Vergleich zum Vorjahr um ganze 2000 gestiegen. Exmatrikulationen von Gebührenverweigerern habe es bisher nicht gegeben. „Nach meinem Kenntnisstand hat sich schlussendlich niemand geweigert, zu bezahlen.“ Dennoch plant er in Kooperation mit der lokalen Wirtschaft ein eigenes Stipendiensystem. Es soll sich an „sozial Schwache und Leistungsträger“ richten.
Eine andere jahrzehntelange Forderung der Studenten wird ebenfalls aufgegriffen: Zwei Prüfungstermine pro Klausur sowie Nachschreibetermine soll es bald auch in Köln geben. „Wir versuchen das ab dem kommenden Semester umzusetzen“, sagt Freimuth. Die Studenten warten gespannt. „Mehrere Klausurtermine sind eine sehr sinnvolle Idee“, sagt Asta-Sprecher Daniel Weber. „Das war nämlich der Hauptgrund, warum viele bisher so lange studiert haben.“ Wer durch eine Klausur gefallen war, konnte sie bisher erst im nächsten Semester wiederholen.
Wie lautet also das Fazit nach einem Jahr Studiengebühren? „Wir haben schon viel erreicht“, sagt der Rektor. „Es ist noch viel zu tun, und die Gebührenverwendung ist zum Teil intransparent“, sagt der Asta. Tatsächlich lassen sich weder alle Vorwürfe der Studentenvertreter, noch die Erfolgsmeldungen der Unileitung genau überprüfen. Es gibt aber einen einfachen Weg, mehr Vertrauen zu schaffen: Die Fakultäten müssen die Verwendung der Studiengebühren öffentlich und verständlich aufschlüsseln – und zwar genauer, als sie das bisher schon tun . „Wir wollen genau wissen, was mit unserem Geld passiert“, sagt Patrick Schnepper vom Asta.
99 /
2007
ZEIT ONLINE