INDIE-MUSIK

Die Jungs mit dem Kassettenrekorder

Bands wie The National und die Cold War Kids kommen in das alte Studio von Sean Moeller und seinen Freunden, essen Pizza und trinken Whiskey. Die Musik, die dabei herauskommt, verschenkt Moeller im Netz

Simone Deckner hat ihn erzählen lassen

Wir arbeiten in Illinois am Ufer des Mississipi, in einem Studio, das früher einer Radiostation gehörte. Das ist zwar schon Jahrzehnte her, aber es hängen immer noch Fotos von den Discjockeys an den Wänden. Wir lassen sie da – aus nostalgischen Gründen und für den Fall, dass die DJs wiederkommen und fragen: "Wo ist mein Foto? Was habt ihr damit gemacht?" Der Teppich ist dreckig, der Laden ist wirklich nichts Besonderes, aber wir vermuten, dass überall kleine Teile von Magie herumfliegen. Wir wissen nicht, wo sie herkommt oder wo sie schläft. Nur, dass sie uns wohl gesonnen ist.

Angefangen hat das alles wahrscheinlich zu der Zeit, als ich einen Kassettenrekorder herausholte und ihn an die Lautsprecher unseres Fernsehers anschloss, um das Musical The Music Man aufzunehmen. Ich war damals 8 Jahre alt. Heute laden wir Musiker, die wir sehr schätzen, ein und lassen sie vier ihrer Stücke live auf ein analoges Tonbandgerät spielen. Die Aufnahmen stellen wir dann ins Netz, wo sie jeder kostenlos herunterladen kann .

Ich glaube, es ist so: Eine Liveaufnahme lässt Dich mit dem Song allein. Wenn ein Stück etwas wert ist, sollte man es bis aufs Gerüst entblößen und lieben können, ohne das ganze technische Brimborium. Gib den Leuten zu viel Zeit und sie stellen fürchterliche Dinge an. Es gibt vermutlich eine ähnlich simple Erklärung dafür, warum die besten Anzüge und Smokings ungemustert und schwarz sind.

Unsere Webseite ist außerdem mit Illustrationen von den Bands und Künstlern dekoriert. Das ist schwierig herzustellen und sieht gut aus. Es ist das Tüpfelchen auf dem i. Johnnie Cluney, unser Haupt-Illustrator, ist ein alter Freund aus der Nachbarschaft. Auf andere stoßen wir einfach zufällig. Du wärst überrascht, wie viele ehemalige Kunststudenten sich nicht über Wasser halten können. Wir sind gewissermaßen ein Auffangbecken für frustrierte Illustratoren und Maler.

Hinter dem Projekt steckt die uralte Idee, dass im Mainstream so viele großartige Dinge verborgen sind, dass sie die Masse niemals finden wird. Ich wünsche mir, dass die Leute Daytrotter als eine Art Filter für gute Musik nutzen. Ich hoffe, dass unser Musikgeschmack auch anderen gefällt und dass wir den Bands und Künstlern helfen können, von ihrer Kunst zu leben. Dass sie sich ganz auf die Musik konzentrieren können und ihre jämmerlichen Brotjobs an den Nagel hängen.

Es muss jemand sein, den wir anbeten. Wir verschwenden unsere Zeit nicht mit Menschen, bei denen wir nicht außer uns vor Freude sind, dass sie zu uns kommen. So einfach ist das. PR-Leute haben bei uns keine Chance. Wir sind wählerisch und ich denke, unser Archiv zeigt, dass wir auf einem guten Weg sind.

Da sind Aufnahmen von Sufjan Stevens oder Bonnie "Prince" Billy drin. Wir fragen diese Leute einfach. Ich glaube, unser Ding wird – ähnlich wie die Radiolegende John Peel – von den Künstlern als wertvoll angesehen, egal, welchen Status sie schon haben. Die Möglichkeit, Songs auf altem, analogem Equipment aufzunehmen und Teil dieser seltsamen Sache zu sein, die wir hier machen, ist für viele Musiker sehr ansprechend. Wir trinken Bier und Whiskey. Manchmal bringen wir sie bei Freunden zum Schlafen unter oder wir kaufen ihnen Pizza. Und wir sind freundlich. Das spricht sich rum.

Wenn man mich fragt: "Seid ihr Weltverbesserer oder verrückt?", dann antworte ich: Beides. Niemand bezahlt heutzutage mehr etwas für Musik, so traurig das auch ist. Ich kann absolut nicht verstehen, wie andere, die Musik lieben, ihre Bands nicht unterstützen, indem sie ihre Alben kaufen. Das macht mich ganz verrückt. Ich hoffe, dass zumindest einige Menschen rausgehen und sich die Alben der Künstler kaufen oder ein Ticket für ein Konzert – alles, was diese Bands unterstützt. Aber manchmal scheint eher das Gegenteil der Fall zu sein: Leute schreiben uns, dass es sie total ärgert, dass sie auf vier Links klicken müssen, um die vier Songs der Daytrotter-Session herunterladen zu können – für umsonst!

Hat dich je eine Band enttäuscht?

Nein. Nicht ernsthaft. Ich weiß, das klingt schockierend. Aber da jeder, der zu uns kommt, von mir persönlich eingeladen wurde, müsste schon Einiges passieren, um mich zu enttäuschen.

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31 / 2007
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