Contra Smileys
Das ist nicht lustig
Smileys sind eine Plage. Sie sollen Nähe herstellen, wo keine ist, sie wuchern in jeder zweiten E-Mail wie Unkraut. Hört sofort auf damit! Ein Hilfeschrei
Ich habe nachgezählt: 34 E-Mails kamen gestern, die an mich gerichtet waren. Fast die Hälfte von ihnen, genau 14, enthielten eine Zeichenkette, deren Sinn ich nicht auf Anhieb entschlüsseln konnte: :-)
Das sieht aus wie ein lächelndes Gesicht. Doch wem gehört es? Wer ist der Typ, der mich da anlacht? Und warum haben die vielen Leute, die mir Nachrichten schicken, das gleiche Antlitz? Es ist, als würden sie so zu einer uniformen Masse verschwimmen, weißes Rauschen, Grinsen aus dem Äther.
Im Internet habe ich gelesen , dass diese so genannten Smileys von vielen Menschen dazu verwendet werden, ironische Aussagen zu markieren. Das Grundproblem ist ja, dass es in der geschriebenen elektronischen Kommunikation so schwer ist, diesen "das-meine-ich-ja-gar-nicht-so-Gesichtsausdruck" vom Absender zum Empfänger zu transportieren. Insofern ist der Smiley eine gute und sinnvolle Erfindung. Das beweisen Fundstücke wie dieses: "Man muss bei Horst dazusagen, das er generell keine Smilies setzt. Deshalb sind manche seiner Äußerungen bewusst übertrieben um sie als Ironie kenntlich zu machen, das geht aber hin und wieder in die Hose."
Allerdings vermute ich, dass keine der Nachrichten, die ich gestern bekam, lustig gemeint war. "Hi Du, hier die Grafiken :-)", "Hab's nicht geschafft, komme später ;-)" oder "Da ist ein Tippfehler in der Überschrift :)".
Ich habe eine andere Theorie: Der Smiley hat einen Sinneswandel erlebt. Vom Knuff in den Oberarm ist er zum Harmonieknutschi geworden. "Ich schicke dir Dateien, aber ich mag dich trotzdem", will er sagen. E-Mail ist ja so kalt! Eine fischige Ansammlung aus Zeichen und Metadaten, die keinen Raum für zwischenmenschliche Nähe lässt. Emoticons sind ein Versuch, diese Nähe wieder herzustellen. Aber was für ein verzweifelter!
Und wo soll das hinführen? Wann kommen Nachrichten wie "Atomkraftwerk Krümmel explodiert :-)" oder "Wir haben im nächsten Budgetplan leider keine Mittel für ihren Arbeitsplatz mehr vorgesehen ;-)"?
"Nächste Woche laufe ich Amok :))".
Ich bin kein Choleriker, ich echauffiere mich nicht gern über die verschrobenen Angewohnheiten meiner Mitmenschen. Aber ich frage mich, welches Bild sie von mir haben, dass sie glauben, ihre Mitteilungen mit kleinen Gefühlsbildchen, versehen zu müssen. Wollen sie sich anbiedern oder bin ich in jemand, der andere immer falsch versteht? Kann ich nicht zwischen den Zeilen lesen? Bin ich Horst?
Ich mache das nicht mehr mit. Ich werde mir ein Mailprogramm besorgen, das automatisch alle Smileys aus dem Nachrichtentext filtert, kann so schwer ja nicht sein. Dann werden endlich wieder Worte sprechen, ich werde sie so verstehen, wie ich das will. Ich werde, wenn ich Nachrichten lese, an die Menschen denken, die sie mir geschickt haben. Mir ihr Gesicht vorstellen und leise mit ihrer Stimme sprechen. Im Geiste sehen, wie sie die Hände bewegen oder die Arme verschränken. Der Smiley, diese immer gleiche Fresse, hat all das nämlich nicht. Er hat nicht mal einen Hals, vom Körper ganz zu schweigen.
29 /
2007
ZEIT online