Terrorismus
Land vor unserer Zeit
Haben die Täter aus der RAF ein Recht auf Gnade? Die Debatte um Schuld und Sühne wirkt skurril, wenn man nach dem "Deutschen Herbst" geboren wurde. Wovon reden die Alten bloß? Müssten wir nicht mitreden?
Es ist ein Kreuz mit der Geschichte der Bundesrepublik. Ob 68er an den Universitäten, ob Baader-Meinhof-Bande oder die wilden Zeiten der Hausbesetzerszene: wer nach 1980 geboren wurde, kennt das alles höchstens aus dem Fernsehen, aus Geschichtsbüchern und aus der Tagespresse. Gerade tobt ein Streit um die zweite Generation der Roten Armee Fraktion, deren Mitglieder seit Beginn der achtziger Jahre im Gefängnis sitzen – also länger, als die meisten von uns denken können.
Wer mordet, wird zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Weil dem Einbuchten für immer jedoch das Grundrecht der Menschenwürde entgegen steht, sollen auch Straftäter, denen eine besondere Schwere der Schuld vorgeworfen wird, das Recht auf ein Leben nach dem Knast haben. Nur im Fall von Brigitte Mohnhaupt, Christian Klar und anderen RAF-Mitgliedern sollen die Menschenrechte nicht ohne weiteres gelten : sie sind schließlich Terroristen. Sind sie?
Aus unserer Perspektive ist die Rote Armee Fraktion eher ein Anekdötchen der Geschichte. Zusammen mit dem Schah-Besuch, der Studentenbewegung, den Hausbesetzern, der Friedensbewegung und ganz viel Rio Reiser vermischt sich die Geschichte unserer Eltern und Großeltern zu einem Brei: Che Guevara war der Frontmann bei Ton Steine Scherben, als die Rote Armee Fraktion in Frankfurt unter dem Pflaster den Strand suchte und am Ende als Grüne Partei ihre friedensbewegten Ideale an Benno Ohnesorg verriet. Und Rudi Dutschke war der intellektuelle Peter Lustig unserer Eltern. Oder etwa nicht?
Was bleibt, ist ein fahler Beigeschmack. Wir kennen unsere Geschichte nicht, doch dürfen oder sollten Terroristen aus längst vergangenen Zeiten freigelassen werden? Was sind das für Menschen? Wofür kämpften sie?
Wir kennen diese Leute doch gar nicht. Und deshalb halten die meisten jungen Staatsbürger sich aus der Debatte fern – vielleicht zu Unrecht. Ob die Täter-Opfer-Beobachter-Generation ein faires und sauberes Urteil über die Geschehnisse, Motivationen und Abläufe erlauben wird? Egal wie es ausfallen mag: ihnen fehlt die Distanz, die uns in die Wiege gelegt wurde. Jetzt müssen wir nur noch herausfinden, was damals in den Siebzigern los war.
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08 /
2007
ZEIT ONLINE