Globalisierung
Mail aus Nairobi (2)
Das Weltsozialforum in Kenia hat begonnen. Deutsche Teilnehmer nörgeln über das Chaos, die Straßenkinder dagegen freuen sich.
Die Gäste in Nairobi sind nicht mehr zu übersehen. T-Shirts mit vielen bunten Slogans sind in der Stadt unterwegs und ermöglichen es auch denjenigen, die keine Zeitungen lesen, sich die Anwesenheit der vielen Fremden zu erklären. Anders könnte man die Mehrzahl der Zugereisten gar nicht erkennen, denn die meisten sind Afrikaner. Das überrascht mich.
Das Weltsozialforum
Im Jahr 2001 trafen sich zum ersten Mal Aktivisten im brasilianischen Porto Alegre, um über eine gerechte Form der Globalisierung zu diskutieren. In den Jahren darauf formierte sich die Bewegung zu einer Gegenveranstaltung zu den Weltwirtschaftsforen in Davos. Auch in diesem Jahr werden sich Wirtschaftsführer und Politiker fast zeitgleich in der Schweiz treffen – um über ihre Form der Globalisierung zu reden.
In diesem Jahr findet das
7. Weltsozialforum
in Kenias Hauptstadt Nairobi statt
Das Vortreffen mit den deutschen Teilnehmern am Freitagabend – endlich wieder eine richtig deutsche Versammlung, Vorstellungsrunde, Diskussion und allerlei Beschwerden über das ganze Chaos inklusive. Das Organisationsteam versucht zu beruhigen: Man dürfe nicht nur die Kenianer verantwortlich machen.
Die üblichen Verdächtigen sind hier, Vertreter von attac, den Gewerkschaften, Kirchenorganisationen, viele kleine Nichtregierungsorganisationen. Ich hatte mir die Aktivisten jünger vorgestellt, nur bei den NGO’s sind welche dabei, die nicht meine Eltern sein könnten.
Auch heute gibt es noch keinen verbindlichen Plan der Veranstaltungen. Nur die Referate und Panels in deutscher Sprache sind ordentlich verzeichnet. Darum irren viele Teilnehmer mit einem deutschen Programmheft herum – bei diesen Veranstaltungen wird es wohl voll werden.
Dann die Eröffnungsveranstaltung: Ich hatte sie monströser erwartet, nicht so versteckt im Park, es sind weniger als 10.000 Menschen da. Reden werden gehalten, man kennt die Parolen und die Themen: Israel, Irak, Guantanamo, WTO, Benachteiligung der Armen, Frauenrechte. Ein Europäer bittet um Vergebung für die Sünden seines Kontinents in der Vergangenheit und Gegenwart. ,,Another World is Possible" – irgendwie nicht neu.
So ähnlich steht es auch auf dem T-Shirt eines Straßenjungen: ,,Making Another World Possible". In seinem Ärmel versteckt er eine Flasche mit Klebstoff, den viele der zehntausenden obdachlosen Kinder in Nairobi schnüffeln. Willkommen in der Realität.
Drei Mädchen betteln mich an, sie tragen auch diese Shirts. Ich denke zuerst, sie seien für das Forum hierher gekommen und wundere mich. Dann wird mir klar, dass jemand die T-Shirts verschenkt hat. Ein anderes Kind hat schnellen Erfolg bei einem asiatischer Herren. Ob das Weltsozialforum ihnen nachhaltige Chancen bietet? Die Höhe der akzeptablen Spende ist schon auf das fünffache der normalerweise üblichen Summe geklettert.
Matthias Mengel ist 24 Jahre alt und studiert seit Oktober 2006 in Nairobi Physik. Er ist mit Hilfe eines Austauschprogramms nach Kenia gekommen. Während des Weltsozialforums berichtet er für den Zuender von dort. Hier ist sein Text vom Freitag.
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04 /
2007
ZEIT ONLINE