Interview

Richtig & Falsch

Heike Makatsch über nervige Journalisten, Pulverkaffee und das Komische an Charity-Veranstaltungen

Von Antonia Baum

„Oft macht es überhaupt keinen Spaß, mit Journalisten zu reden. Sie verdrehen, stecken einen in Schubladen oder versuchen, einem den Stempel ihrer Zeitung zu verpassen. Klar, manchmal trifft man auch solche, die sich wirklich interessieren. Und die hinterher auch noch das wiedergeben, was man gesagt hat. ‚Das geht ja doch’, denke ich dann und rege mich beim nächsten Mal trotzdem wieder auf. Können oder wollen Journalisten nicht? Es ist doch nicht so schwer, etwas so wiederzugeben, wie es war. Selbst wenn sie durch Vorgaben ihrer Chefs eingeschränkt sind, erwarte ich mehr Rückgrat: dass sie das schreiben, was sie entdecken und nicht das, was sie entdecken sollen.“

Charity-Lady

„Ich bin ein politisch interessierter Mensch und eine öffentliche Person. Aber aus Wohltätigkeits-Veranstaltungen habe ich mich lange raus gehalten. Was das anging, war ich fast rigoros. Ich habe mich gefragt: Warum soll ich mich für die Aidshilfe einsetzen, aber nicht für die Krebshilfe? Ich hätte Probleme mit meiner Glaubwürdigkeit gehabt, wenn ich überall rumhüpfe und mal kurz in eine Kamera lächele. Trotzdem wollte ich mich ernsthaft für ein Projekt einsetzen, eines das die Armut bekämpft. Ich finde, sie ist das wichtigste Problem unserer Zeit. Ich habe sieben Jahre in England gelebt, von dort war Oxfam für mich schon ein Begriff. Es war Zufall, dass die deutsche Sektion mich fragte, ob ich ihre Botschafterin werden will. Ich bin dann mit ihnen nach Ghana gereist, damit ich die Probleme dort besser verstehen kann. Danach habe ich gewusst, dass ich mich für die richtigen Leute engagiere.“

Besser schlafen mit fair gehandeltem Kaffee

„Vereinfacht gesagt, hat die Nachfolgegeneration der 68er gesehen, dass das, was ihre Eltern erreichen wollten, nicht eingetreten ist. Sie hat festgestellt, dass sie die Welt ohnehin nicht ändern kann. Also versuchen viele, im Kleinen glücklich zu werden und in ihrem Umfeld ein guter Mensch zu sein: Man kann zu seinem Nachbarn nett sein oder einer alten Frau über die Straße helfen. Oder eben Fair-Trade -Produkte kaufen und Klamotten von American Apparel tragen – jeder hält seinen kleinen Hof sauber. Demonstranten haben hingegen schon fast etwas Exotisches und werden von vielen nicht wirklich ernst genommen. In dieser schwer durchschaubaren Welt weiß niemand mehr genau, wo er ansetzen soll. Deswegen fängt man eben bei sich an. Ich will das nicht verurteilen, weil ich das arrogant finde. Wenn man die Zeitung aufschlägt, liest man von Sozialabbau, Armut und dass denen, die wenig haben, immer mehr genommen wird. Viele haben Angst um ihre Existenz. Dass man da nicht die Kraft hat, sich die großen Probleme unserer Zeit vorzuknöpfen, ist verständlich. Vor diesem Hintergrund finde ich es falsch, zu sagen, dass es nur ein bequemer Weg zu einem guten Gewissen ist, wenn man seine Klamotten in einen Oxfam-Shop bringt oder Fair-Trade-Produkte kauft. Man geht einen kleinen Schritt, der anderen dabei hilft, einen größeren zu machen. "

Champagner für Afrika

„Auf Wohltätigkeits-Veranstaltungen gibt es Champagner, teures Essen und schicke Kleider obwohl es um Menschen geht, die überhaupt nichts haben. Ich kann verstehen, dass einem diese Unstimmigkeit aufstößt. Man könnte monieren: Das Geld, das dafür ausgegeben wird, hätte auch für etwas anderes verwendet werden können. Prozesse wie die Armutsbekämpfung in Afrika sind aber etwas Langfristiges. Es geht darum, die Öffentlichkeit zu gewinnen, um Druck auf die Regierungen auszuüben. Da bringt eine glamouröse Veranstaltung nun mal mehr als eine, die in irgendeinem Schuppen nebenan passiert. Adorno hat dazu mal etwas sehr Passendes gesagt: ‚Es gibt kein richtiges Leben im Falschen’. Dort, wo ein Ungleichgewicht vorhanden ist, ist es unmöglich, sich in diesen Strukturen richtig zu verhalten. Als wir während der Ghana-Reise in einem Oxfam-Büro Kaffee trinken waren, wurde mir dort Pulver-Kaffee von Nestlé angeboten. Nur mal so als Beispiel für das richtige Leben im Falschen.“

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Nach Hause - Zuender. Das Netzmagazin

32 / 2006
ZEIT ONLINE