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Le band c’est moi
Demokratie ist super. In Popbands aber funktioniert sie selten. So mancher singende Friedenaktivist ist im Proberaum Militärdiktator
Der Demokratie ging es schon besser. Als eine repräsentative Gruppe von Bundesbürgern vor wenigen Tagen danach befragt wird, wie zufrieden sie mit unserem System sei, da antworten nur 49 Prozent, dass sie Demokratie super fänden. Der Rest träumt heimlich von mehr Autorität für wenige oder von wenig Autorität für alle.
Laut sagen darfst du so etwas nicht. Es sei denn, du bist Popmusiker, und die Gesellschaft, die du beherrschen willst, ist nur der Mikrokosmos deiner Band. Thom Yorke zum Beispiel: Dem Sänger der Band Radiohead kann man keinen Mangel an politischem Verständnis nachsagen. Geht es aber um seine Band, dann wird Yorke zum kleinen Diktator. Auf die Frage eines Journalisten, wie es Radiohead mit der Demokratie halte, sagt er: "Wir sind wie die UNO – und ich bin Amerika". Demokratie und Popbands: Ist das vielleicht ein Gegensatz?
Die Geschichte des demokratischen Pop beginnt fünf Jahre nach der Geschichte des Pop. Noch in den Fünfzigern gab es Band-Demokratie nur im Jazz. Die Popmusik aber war eine Monarchie. Einer für alle.
Elvis
war in seinem Pop-Reich der King, alle anderen Musiker neben ihm nur kleine Provinzfürsten. Vier Engländer aber räumten Anfang der Sechziger Jahre vordergründig auf mit dem Mythos von Rock’n’Roll als Bastion der männlichen Alleinherrschaft. Die
Beatles
waren vier Männer. Die Beatles waren aber auch vier Meinungen. Und sie sind wahrscheinlich das prominenteste Beispiel einer Band, die an ihrem eigenen Mangel an Demokratie zerbrach. Ende der Sechziger war es mit der Band vorbei.
Dieser Aufstieg und Fall wurde in den folgenden Jahrzehnten von unendlich vielen Musikformationen kopiert. Peter Gabriel verließ Genesis , weil er den musikalischen Geschmack seiner Bandkollegen nicht mehr schätzte. Die Smashing Pumpkins gingen im neuen Jahrtausend getrennte Wege, weil die gemeinsame Entscheidungsfindung zu anstrengend wurde. Take That löste sich zwischenzeitlich auf, weil sie – verwirrt vom eigenen Management – plötzlich keine gemeinsamen Vorstellungen von Musik mehr fanden. Oasis wiederum wären wahrscheinlich längst zerbrochen, wenn nicht Liam Gallagher genau wüsste, dass sein zur despotischen Herrschaft neigender Bruder die besseren Lieder schreibt.
Auch in Deutschland polarisiert die Frage nach Demokratie die Bands. Als Peter Thiessen, Sänger der Hamburger Band
Kante
, jüngst nach der Entstehung des neuen Albums
Die Tiere sind unruhig
befragt wird, sagt er: "Wir haben uns einige Jahre sehr bemüht, so etwas wie eine Banddemokratie herzustellen. Diesmal habe ich die Dinge stärker in die Hand genommen." Für das neue Album produzierte Thiessen die Stücke alleine am Rechner und lieferte sie fast fertig in den Proberaum. Die Band war häufig einverstanden. Thiessen nennt dies ein "nicht leicht fassbares Verhältnis zwischen Diktatur und Demokratie".
Auch die Hamburger Band Tomte kennt das Problem. Der unumstrittene Herrscher dort heißt Thees Uhlmann. Bassist Olli Koch sagt, es habe Zeiten gegeben, in denen er mit Uhlmanns Frontmann-Image sehr gekämpft habe. Die ersten Interviews hätten die beiden noch gemeinsam gegeben. Doch Koch hatte ein Problem damit, dass Uhlmann stets die cooleren Antworten gab.
Mittlerweile haben Tomte ihre bandinterne Diktatur auf den Prüfstein gestellt: "Thees hat seinen Thron verlassen und sich uns geöffnet." Tomte sind heute eine herzliche Aristokratie. Uhlmann ist der König, doch er thront in einer so leidenschaftlichen Art, dass seine Mitmusiker nicht anders können, als ihn jeden Abend in seinem Amt zu bestätigen. Und Olli Koch sagt: "Demokratische Strukturen im Bandgefüge gibt es nicht. Ein Machtgefälle existiert in jeder Band." Das alte
Ton Steine Scherben
-Plädoyer von keiner Macht für Niemanden ist selbst auf der kleinen Ebene einer Pop-Band schwer zu verwirklichen.
Es gibt verschiedene Ursachen dafür, dass das gemeinsame Entscheiden in Bands oft zu Problemen führt. Da ist zum einen der Einfluss verschiedener Musiker auf das Gesamtwerk. Der Mikrokosmos einer Band verlangt nach Regeln. Wer darf bestimmen, wie laut welches Instrument zu hören ist? Welcher Text die Melodie begleitet? Welche Lieder letztlich auf die Platte wandern?
Meist ist es der Sänger, der das Ruder in der Hand hält. Er diktiert die Darstellung der Band nach Außen. Und er ist es, der den Laden zusammenhält. Denn du kannst in verschiedenen Bands Schlagzeug oder Gitarre spielen. Doch Sänger bist du nur in einer Band. Hinzu kommt die ungeschriebene Hierarchie der Instrumente. Meist ist der Gitarrist die zweite gewichtige Stimme einer Band. Es folgt der Schlagzeuger, dicht gefolgt vom Bassisten. Eine gute Methode gegen diese Regentschaft einzelner Klangkörper ist der Tausch der Instrumente. Die mittlerweile aufgelöste Hamburger Band
Parole Trixi
etwa wechselte zwischen den Liedern stets die Positionen an den Instrumenten und demonstrierte damit: Seht her, bei uns darf jeder alles.
Die beste Technik, sich dem Problem zu entziehen, ist nach wie vor die Solokarriere. Und es sind nicht wenige, die dieser Tage Erfolg damit haben:
Adam Green
,
Jack Johnson
oder James Blunt beispielsweise. Sie haben zwar Mitmusiker, stellen sich jedoch nach außen als Solokünstler dar. Das schafft Freiräume.
Auch
Bernd Begemann
war lange Zeit als Solokünstler unterwegs. Für das neue Album
Ich werde sie finden
holte er sich wieder eine Band an die Seite. Seine Begleitmusiker heißen jetzt
Die Befreiung
– und tragen damit ihre Mission gleich im Namen.
Solomusiker müssen keine herrschaftssüchtigen Menschen sein, manchmal sind sie einfach nur schüchtern. Doch meistens machen diejenigen eine Solokarriere, die keine Lust auf Bandstrukturen haben: Peter Gabriel machte nach Genesis solo weiter, Billy Corgan veröffentlichte nach den Smashing Pumkins ein Soloalbum, bei Take That versuchten Gary Barlow, Robbie Williams und Mark Owen ihr Glück alleine – mit bekannten Konsequenzen. Oft fallen die Musiker nämlich irgendwann wieder zurück in den Schoß einer Band.
Es gibt sie allen gegenteiligen Entwicklungen zum Trotz jedoch immer noch: jene Bands, die die Fahne der Demokratie hoch halten. Nino Skrotzki, Sänger der Berliner Band
Virgina Jetzt!
, sagt: "Bei uns herrscht Demokratie. Keiner setzt sich über die anderen hinwegsetzt." Und Daniel Benjamin von der Band
Jumbo Jet
genießt es, mit anderen Meinungen konfrontiert zu werden: "Jeder schreibt hier gleich viele Songs, das ist gelebte Banddemokratie."
Auch schön:
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- Markus Wiebusch, Sänger von Kettcar und Labelbetreiber, im Interview
Ölschinken, Depression und Destruktion
- Kante im Interview
Drüber reden?
- Dieser Artikel wird hier im Forum diskutiert
Nach Hause
- Zuender. Das Netzmagazin
32 /
2006
ZEIT online