Wahlen in Österreich

Das Popduell der Populisten

Am Sonntag sind Nationalratswahlen in Österreich. Längst ist im Wahlkampf ein Karaoke-Krieg zwischen Rechtsrap und Techno-Patriotismus entbrannt.

Von Fabian Dietrich

Der direkteste Weg ins Wählerhirn führt manchmal durch den Gehörgang. Zumindest glaubt das Heinz-Christian Strache, ein Abgeordneter der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ). Der deutsche CDU-Politiker Jürgen Rüttgers hat mit seinem "Kinder statt Inder"-Spruch vorgemacht, dass es sich manchmal lohnt, auf eingängige Slogans in Reimform zurück zu greifen. Heinz-Christian Strache geht noch einen Schritt weiter: Er hat seine Wahlkampf-Slogans gleich als Rap aufgenommen.

Bemerkenswert ist, dass der jugendliche Strache, ein bekennender Liebhaber "schneller Rhythmen" als Ausdrucksform seines politischen Liedgutes eine Art Gangsta-Rap wählte. Das Intro des "HC Raps" erinnert klanglich an Warren G s "Regulate" - sprachlich nimmt der Song jedoch erst einmal Anleihen bei Asterix und Obelix.

"Wir schreiben das Jahr 2006", verkündet Strache, "alle Politiker haben sich mit der herrschenden Regierung abgefunden oder sind bereit, die ÖVP in ihrem Machtrausch zu unterstützen. Alle Politiker? Nein, ein von einer unbeugsamen Partei, der FPÖ, aufgestellter Mann hört nicht auf, Widerstand zu leisten." Dann kickt der Beat und HC rappt in ungelenker Sprache über Lügen, Korruption, kriminelle Ausländer und seinen Säbel. Seinen Säbel? Richtig gehört - denn Strache ist Mitglied der schlagenden Burschenschaft Vandalia . Der ausgebildete Zahntechniker hatte zuletzt vor zwei Jahren einen Salzburger Arzt zum Duell herausgefordert.

Doch zurück zur Musik. Auf den Vorstoß Straches musste Erzrivale Peter Westenthaler vom Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) reagieren. Seitdem Jörg Haider das BZÖ von der FPÖ abgespalten hat, bekriegen sich die beiden Parteien regelmäßig mit verbalen Tiefschlägen. Offen wird Westenthaler von Strache als "Verräter" beschimpft, der jedoch kontert, der rappende FPÖ-Politiker sei lediglich eine jämmerliche Kopie Jörg Haiders.

Den Wählermarkt im Klingelton- und Mp3-Segment wollte Westenthaler seinem Gegner jedoch nicht überlassen. Schließlich kämpfen beide um dieselbe Klientel: junge Wähler für Rechtsaußen. Ob es an mangelndem Talent gelegen hat, dass Westenthaler nicht ebenfalls rappte, oder bewusst eine Art Abgrenzungsstrategie gefahren wurde, ist unklar. Der "Westi-Song" geriet jedenfalls zu einem fröhlichen Alpen-Techno-Kracher.

HC Strache rappt: "Wer sich nicht integrieren will, für den hab´ ich ein Reiseziel: Ab in die Heimat, guten Flug! Arbeitslose haben wir hier selbst genug", Westenthaler zielt mit seinem Mantra-artigen Text offenbar auf die unterbewussten Regionen des Wählerhirns. "Wir hoiten zam, a Leben lang für unser Heimatland. Mamama-Mamama-he! Mamama-Mamama-he!"

Der "HC-Rap" wurde, wie auf der Website der FPÖ nachzulesen ist, von einer gewissen Arg AG getextet und komponiert - "arg" bedeutet im Österreichischen in etwa "krass". Wie die österreichische Zeitung Der Standard jedoch herausfand, stecken hinter der Arg AG der FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl und der Austro-Pop-Titan Klaus Biedermann, bekannt als Produzent von namhaften Après-Ski-Künstlern wie "DJ Ötzi" und den "Bingo Boys". Auch Westenthalers Produzententeam versteckt sich hinter Pseudonymen. Text und Musik des Liedes stammen, so heißt es, von Clark Kent und Lisa Simpson.

Der "HC-Rap" wurde im Netz schon kurz nach der Veröffentlichung hämisch diskutiert. In einschlägigen Neonazi-Foren macht man sich lustig über den Burschenschaftler HC. Ausländer raus und so weiter, das sei ja sehr richtig, aber, schreibt ein gewisser "Bluthund88", warum macht Strache ausgerechnet amerikanische, schwarze Musik?

Ohne Frage sind die musikalischen Vorstöße der beiden Politiker gewöhnungsbedürftig. Dabei war Musik schon immer Mittel der Parteien, um Anhänger auf sich einzuschwören: "Die Internationale", "Brüder zur Sonne zur Freiheit" oder der von der CDU zu Angela Merkels Wahlkampf verwendete Rolling Stones -Song Angie .

Wenige Politiker haben sich dabei jedoch so hemmungslos als Hofnarren entlarvt wie Strache und Westenthaler. Rocko Schamonis Lied für den Wahlkampf der Partei scheidet als Vergleich aus. Das Lied im Wahlkampf 2005 war ironisch gemeint. Einzig der Einsatz des Künstlers Joseph Beuys im Grünen-Wahlkampf 1982 kann an Peinlichkeit mit den Österreichern mithalten. "Sonne statt Reagan" sang Beuys, lange bevor es MP3- und Klingelton-Downloads gab.

Auch wenn der "HC Rap" nach Angaben der FPÖ bisher 60.000 Mal herunter geladen wurde - die Musik wird den beiden Parteien nicht helfen. Eine Regierungsbeteiligung der musikalischen Rechtsaußen ist reichlich unwahrscheinlich. In Umfragen liegt die FPÖ bei unter 8 Prozent, um Westenthalers BZÖ steht es noch schlechter, sie droht an der 4 Prozent-Hürde zu scheitern.

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32 / 2006
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