Freies Wissen

Alle mal frei machen

Matthias Spielkamp hat die Show des Freien Wissens organisiert. Im Interview erklärt er, was Freiheit für ihn bedeutet

Fragen von Chris Köver

Du sprichst von "Freiem Wissen" – was ist so besonders daran? Die Freiheit von Meinung, Kunst und Wissenschaft steht doch längst im Grundgesetz.

Es geht nicht um den theoretischen Freiheitsbegriff, sondern wie dieser heute angewendet wird. Natürlich kann man niemanden davon abhalten, sich selbst schlau zu machen. Aber bei proprietären Programmen kann man zum Beispiel nicht herausfinden, wie sie funktionieren. Diejenigen, die solche Programme schreiben, möchten verhindern, dass anderen Leute erfahren, wie sie programmiert wurden.

Das betrifft aber nicht nur Software: Texte oder Musikstücke darf man sich zwar durchlesen oder anhören. Will man aber Teile daraus verwenden, um wiederum selbst etwas damit zu schaffen, dann ist das verboten.

Das alles hat eigentlich einen guten Grund. So sollen nämlich die Urheber davor geschützt werden, dass jemand anderes ihre Werke nimmt und damit selbst Geld verdient. Aber geistiges Eigentum ist inzwischen so stark geschützt, dass viele Künstler davon nicht profitieren, sondern in ihrer Kreativität eingeschränkt werden. Sie können auf einen großen Bestandteil des Vorhandenen nicht mehr zurückgreifen. Dagegen wendet sich die Bewegung des Freien Wissens. Wir plädieren nicht dafür, das Urheberrecht ganz abzuschaffen. Wir wollen lediglich eine Balance zwischen dem individuellen und dem gesellschaftlichen Nutzen herstellen.

Was ist Euer Vorschlag?

Es gibt zum Beispiel die Creative Commons Lizenzen, die inzwischen immer häufiger genutzt werden. Jeder Künstler, Journalist oder Filmemacher kann selbst entscheiden, unter welchen Bedingungen er sein Material zur Verfügung stellt.

Ob er es zum Beispiel unter klassisches Urheberrecht stellen will und damit jede weitere Nutzung verbietet. Ob er eine Nutzung unter bestimmten Bedingungen erlaubt - etwa dass Dritte damit kein Geld verdienen dürfen. Oder ob er es für jede Form der Nutzung freigibt.

Mit freier Software lässt sich Geld verdienen, weil man rund herum Dienstleistungen verkaufen kann. Aber wie soll das mit freier Musik oder freien Filmen funktionieren? Wovon sollen die Künstler denn leben?

Das klingt vielleicht wie eine Ausrede, aber man muss sich darüber klar werden, dass die meisten Kreativen mit ihrem Schaffen gar kein Geld verdienen und das auch noch nie getan haben. Nur sehr wenige Musiker, Filmemacher oder Schriftsteller leben von ihrer Arbeit. Das bedeutet trotzdem nicht, dass die anderen es bleiben lassen.

Die Musiker, die ich kenne, sagen alle, dass sie weiter Musik machen würden – egal, ob sie damit Geld verdienen oder nicht. Das Argument, dass Künstler aufhören, Kunst zu machen, sobald sich das finanziell nicht lohnt, ist meiner Meinung nach nicht stichhaltig.

Gibt es dennoch Geschäftsmodelle?

Man kann auch mit freien Inhalten Geld verdienen. Früher mussten Musiker oder Schriftsteller darauf hoffen, irgendwann von einem Scout oder einem Verleger entdeckt zu werden, um groß raus zu kommen. Der Markt für potentielle Stars ist heute sicher nicht größer, aber wenigstens können Künstler jetzt selbst dafür sorgen, dass sie bekannt werden. Sie können sich eigene Netlabels einrichten, oder ihre Texte in einem Weblog publizieren. Und von dieser Bekanntheit profitieren sie dann auch finanziell.

Ein gutes Bespiel ist Disrupt, ein Musiker, der seine Stücke frei verteilt und den wir auch zur Show des freien Wissens eingeladen haben. Vor 15 Jahren hätte er mit seiner Musik nichts verdienen können. Heute wird er auf Festivals eingeladen, bekommt Gigs als DJ und kann übers Internet seine CDs verkaufen.

Und auch freie Werke kann man verkaufen. Man liest ja auch immer noch lieber ein Buch, als auf den Bildschirm zu starren. Genau so bezahlen die Menschen gern zehn Euro, wenn sie dafür eine CD mit einem schicken Booklet bekommen, auch wenn sie sich die Stücke theoretisch umsonst im Netz anhören können.

Unter freier Musik können sich die meisten inzwischen etwas vorstellen. Aber was ist freier Film?

Mit "frei" ist in diesem Zusammenhang immer die Lizenz gemeint. Ein Werkstück – ein Film, ein Musikstück, ein Text – wird dadurch frei, dass man es unter bestimmten Bedingungen der Öffentlichkeit zur Verfügung stellt. Die übliche Lizenz richtet sich nach dem Urheberrecht: Wenn ich dann einen Text in mein Blog stelle, dann darf das niemand ohne meine Zustimmung weiterverwenden. Stelle ich es dagegen unter eine weniger restriktive Creative Commons Lizenz, dann ist es frei.

Leider gibt es für abendfüllende Spielfilme unter freien Lizenzen noch kein Geschäftsmodell. Das müsste von einem Mäzen finanziert werden. Trotzdem werden viele freie Filme hergestellt, man braucht nur mal auf Youtube oder Google Video zu schauen. Auf der Webseite Revver.com kann man mit diesen Filmen auch Geld verdienen. An jedes Video wird automatisch eine Werbung angehangen und mit jedem Klick darauf fließt Geld. Die eine Hälfte bekommt Revver.com und die andere der Künstler. Da ist viel Schrott dabei, aber auch einige Perlen.

Warum ist es dann trotzdem notwendig, die Show des freien Wissens zu veranstalten?

Das ist das beharrliche Bohren dicker Bretter. Ich glaube, dass noch nicht mal zehn Prozent der Deutschen eine Vorstellung davon hat, was freie Inhalte sind. Freie Software gibt es seit 1984 und erst in den letzten paar Jahren ist das ein Erfolgsmodell geworden. Bis sich im Bereich des freien Wissens nachhaltig was ändert, wird es noch mindestens 20 Jahre dauern.

Auch wichtig:

So schmeckt die Freiheit - Piratenparteien in ganz Europa wollen kein Copyright mehr

ZUENDER-Schwerpunkt - Kultur ohne Copyright

Drüber reden? - Dieser Artikel wird hier im Forum diskutiert

Nach Hause - Zuender. Das Netzmagazin

38 / 2006
ZEIT online