9-11
"Papi, wie ist es im Himmel?"
3000 Kinder verloren am 11. September 2001 ihne Mutter oder ihren Vater. Viele konnten das nicht verarbeiten, hatten Schlafstörungen und Angstkomplexe. Aufmunternde Geschenke nützten da gar nichts.
Gestern haben alle über die schrecklichen Angriffe auf das World Trade Center geschrieben. Über Männer, Frauen, Wirtschaft, Angst. Dabei haben das allergrößte Trauma wohl die Kinder erlebt, die an diesem Tag Mutter oder Vater verloren haben. Ihre psychische Verfassung wurde gründlicher analysiert als jemals zuvor nach einem Ereignis solchen Ausmaßes. Zumeist waren kleinere Kinder betroffen, im Durchschnitt acht Jahre alt.
Dr. Thomas Demaria hat das Leben von 350 betroffenen Familien nach 9/11 begleitet. Er leitet das WTC Family Centre am South Nassan Communities Krankenhaus in Long Island. Dort sind die Wände vollgeschrieben – mit Nachrichten zahlloser Kinder an ihre toten Elternteile, meist waren es Väter. "Papa, den neuen Star Wars Film ohne dich zu gucken, war so anders". "Papi, wie ist deine Zeit im Himmel?".
Im Kunstraum können die Kinder aufmalen, was sie am meisten vermisst haben nach dem 11. September 2001. Viele einfache Zeichnungen sind dort zu sehen, die einen tiefen Schmerz ausdrücken, wenn man den Grund ihrer Entstehung kennt. Zwei Strichmännchen zum Beispiel, die auf einem Boot stehen, die Arme in der Luft. Über dem einen steht "Dad", über dem anderen "Me".
Viele Kinder hatten nach dem Verlust eines Elternteils große Angst, den anderen zu verlieren und wollten sich nicht mehr von ihm entfernen. Andere riefen immer wieder auf dem Handy ihres toten Vaters an. Als sie die Mailbox hörten, waren sie überzeugt, er würde noch leben.
Nach den Ereignissen am World Trade Centre wurden die Kinder mit Zuneigung und Aufmerksamkeit überschüttet. Sie taten allen leid, alle wollten helfen. So bekamen sie Geschenke zur Ablenkung: Haufenweise Spielsachen, einige sogar Tickets für ein Baseballspiel, ein Treffen mit den Stars inklusive. "Ein Kind verliert einen Elternteil unter schrecklichen Umständen und das Ergebnis ist ein Geschenkeregen. Wo ist denn da die Trauer?", kritisiert Dr. Demaria gegenüber der englischen Zeitung "The Guardian". "Das kann sehr verwirrend sein, weil es die Kinder ermutigt, ihre Verzweiflung zu verstecken".
Mittlerweile sind die Kinder älter geworden, haben die Ereignisse zum großen Teil verstanden und verarbeitet. Wenn sie erwachsen sind, werden sie weiter darüber berichten können und dafür kämpfen wollen, dass so etwas nicht noch einmal geschieht. Ihre Kinder werden aufgeklärt sein über den Terror-Krieg des frühen 21. Jahrhunderts.
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2006
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