Splash!-Festival
Endlich wieder 17
Herr Richel hat eine Theorie: HipHop wird mal wieder erwachsen. Schade, dass dazu das Splash!-Festival ins Wasser fallen musste.
Der Sommer – vorbei. Die Fahnen sind eingerollt und von den Autodächern verschwunden, dafür hängt eine Regenzone über der Republik fest. Man kann sich wieder daheim fühlen, in unserem schönen Deutschland. Wer auch immer für das Wetter verantwortlich ist: Er ist kein Freund des HipHop. Das Wort "Wolkenbrüche" beschreibt nur zurückhaltend, was sich beim Splash! vom Himmel ergoss.
Dabei waren die Veranstalter in diesem Jahr deutlich besser auf die schlechten Wetteransagen vorbereitet, als noch im letzten. Gummimatten auf dem Gelände verhinderten, dass man binnen einer Minute aussah, wie ein Güllebauer. Die großen Partyzelte für den Abend und die Nacht waren komplett wasserdicht und ermöglichten entspanntes Feiern.
Genützt hat es den Veranstaltern wenig. Als hätte Kachelmann sie gewarnt, kamen erstaunlich wenige Fans an den sächsischen Stausee Rabenstein. Im letzten Jahr haben noch knapp 20.000 ihre Campingausrüstung hierher geschleppt, in diesem Jahr sollten eigentlich 5.000 mehr kommen. Zumal die Aussichten für einen Besucheransturm nicht schlecht waren, weil das Konkurrenzfestival HipHop Open in Stuttgart WM-bedingt ausfallen musste. Dass am Ende höchstens 15.000 da waren, kann man nicht nur aufs Wetter schieben.
Es gibt andere mögliche Gründe: Erstens fehlten die großen Namen. Nur Rapper-Legende Fat Joe wurde dem Anspruch, den Deutschlands größtes Rap-Festival an sich hat, gerecht. Die restlichen Bands waren zwar nicht schlecht, und auch nicht fehl am Platz – doch man kann Jan Delay, Blumentopf, Joy Denalane oder Prinz Pi sehr viel preiswerter auf deren Clubtouren erleben. Gut war: Die Robert-Schumann-Philharmonie fuhr mit kompletter Orchesterbesetzung an und spielte klassische Töne, die einen erstaunlichen Bassdruck erzeugten, während deutsche HipHop Größen, wie die Beginner, Samy Deluxe, Torch und Toni L , Azad und Curse live dazu rappten. Und es gibt noch eine andere Erklärung: HipHop wird wieder erwachsen (ich gebe zu, dass diese Theorie mit heißer Nadel und obendrein selbst gestrickt ist).
Der Beweis: Vor dem Stand von Aggro Berlin war so wenig los, dass man eine ganze Weile dort verbringen konnte, ohne bravolesenden HipHop-Kids zu begegnen. Aggro´s Zielgruppe ist nämlich so jung geworden, dass der Veranstalter sagt: "Ihr dürft hier nicht rein!" Und ein paar besorgte Eltern werden ebenfalls einen Riegel vor das Unternehmen Splash! geschoben haben. Dadurch stieg der gefühlte Altersdurchschnitt gleich um zwei Jahre (auf dann 17 Lenze).
Das lässt sich empirisch sicher schwer belegen, aber erstaunlich viele Besucher hatten schon Bartwuchs – ein wichtiger Indikator für meine Theorie. Ich habe das Gefühl, HipHop wird wieder entspannter. Ich finde das gut. Interessant ist die Frage, wie und ob die Veranstalter den daraus resultierenden Besucherschwund verkraften. Im nächsten Jahr wird sich’s zeigen. Da will das Splash! sein zehnjähriges Bestehen feiern – und macht schon fleißig Werbung.
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– Zuender. Das Netzmagazin
32 /
2006
Zuender