Interview
"Wir waren noch nie kredibel"
Anfang Mai veröffentlichte die Mediengruppe Telekommander ihr zweites Album Naeher am Menschen. Jetzt sind die Kommanders Florian Zwietnig und Gerald Mandl wieder auf Tour - der Zuender traf sie vor ihrem Auftritt in Heidelberg zum Gespräch über Gesellschaftskritik, Party und Deutschland.
Gleich zu Anfang eine Frage, die auch aus der Regenbogenpresse stammen könnte: Stimmt es, dass einer von euch beim Konzert in Würzburg einen Strip hingelegt hat?
Florian: Ja. Wo hast du das gehört?
Das habe ich im Internet gelesen.
Florian: Aha. [Pause]
Und wie fühlt man sich nach so einer Aktion am nächsten Morgen?
Florian: Naja. ... Das war ein bisschen außerhalb des Konzepts. Das ist nicht wirklich etwas, das mit der Mediengruppe zu tun hat. Die Sache war eben die, dass Gerald die Bassseite gerissen ist. Und ich als Scherz dann, nachdem die Leute schon öfters "ausziehen" geschrieen hatten, gesagt habe: "Naja, wenn ihr euch auch auszieht, dann können wir das gerne machen..." - und ein Mädchen war dann gleich auf der Bühne und hat das dann gemacht. Und dann ist eins zum anderen gekommen.
Eure Konzerte sind einerseits Protest-Kundgebungen, andererseits Party. Wie passt das zusammen?
Gerald: Das war uns von Anfang an wichtig, diese Mischung aus Kritik und Party. Unsere Musik ist totale Live-Musik und ist daraufhin angelegt, dass sie live und bei einer hohen Lautstärke gut funktioniert. Tanzbarkeit und Grooves sind wichtige Faktoren, die in unserer Musik stecken. Textlich wollen wir natürlich nicht über so einen so-la-la-Scheiss singen, sondern über Sachen die uns wichtig sind, die augenfällig sind. Deswegen arbeiten wir die Dinge ein, die uns auffallen und interessieren.
Habt ihr dann nicht manchmal den Gedanken, dass nach dem Konzert nur die Party und der Hangover hängen bleiben?
[Gerald lacht.]
Florian: Also ich weiß nicht, das kannst du nie einschätzen. Das ist immer noch besser als wenn nichts hängen bleibt. Wenn dann hängen bleibt, dass man bei der Mediengruppe super abgehen kann, dass es da geil ist aufs Konzert zu gehen, dann ist das schon was. Es ist nicht so, dass wir uns als Botschafter sehen und dass eine Botschaft verstanden werden muss. Wir wissen von unserem eigenen Textverständnis dass man in solchen Situationen herzlich wenig mitbekommt - und die, die es interessiert, können sich auch die Platte holen.
Euer Bekanntheitsgrad wächst, eure Konzerte werden größer. Seid ihr noch Underground, seid ihr noch kredibel - oder schwebt ihr in einer Grauzone?
Florian: Wir waren noch nie kredibel. [Beide lachen.] Ich finde, das ist langsam so ein richtig veraltetes Bild. Das kannst du wirklich nicht sagen. Wir schreiben Texte und machen Musik die uns gefällt. Und den Weg den die nimmt, den finden wir immer noch super. Und wir würden uns auch freuen, wenn das so weiter wächst. Wir haben nicht angefangen Musik zu machen um immer in einem Kellerloch zu spielen. Sondern wir wollten Musik machen und schauen wie weit wir damit kommen.
Gerald: Es wäre auch Unsinn, an dem Punkt an dem wir jetzt sind, über Ausverkauf zu sprechen, denn der findet einfach tatsächlich nicht statt.
Euer neues Album, Naeher am Menschen ist etwas ruhiger und reflektierter. War eure Studiozeit 2005 auch Zeit darüber nachzudenken, was 2004 alles passiert ist?
Florian: Ja, das sieht man ja bei "Bild dir deine Meinung" (mp3-Link) schon. Ein ganz großer Einfluss bei diesem Album war, was uns in diesen Jahren alles passiert ist. Und generell dann auch eine Zuwendung zu einem Mikrokosmos hin, zu Themen, die näher am Menschen sind und näher an dem, was uns so passiert ist.
Gerald: Wir haben das Tempo ein bisschen rausgenommen und wollten das Ganze ein wenig clubbiger und danciger gestalten - deshalb sind nicht mehr alle Songs über 150 Beats per Minute, wie auf dem ersten Album, das immer nur permanent nach vorne geht. Wir wollten auch ruhigere Momente auf dem Album schaffen.
Eure Texte auf Naeher am Menschen beschäftigen sich viel mit Identität. Sind wir alle nur noch Baustellen und Werbeträger für die Lifestyle-Industrie?
Florian: Du sprichst auf das Thema Konsum an. Das Thema Konsum hat auf dieser Platte sehr wenig stattgefunden. Es ging weit mehr um Themen, die wir beobachtet haben - mehr als auf dem ersten Album. Auf dem ersten Album haben wir viel in Frage gestellt, es ging auch mehr um Konsumkritik. Das kommt auf Naeher am Menschen so gut wie gar nicht vor.
Was haltet ihr von Aktionen von Bands, die sich an Samplern wie "I Can't Relax in Deutschland" beteiligen? Könnt ihr in Deutschland entspannen? Oder habt ihr keinen Bock auf diese ganze Debatte...
Gerald: Eigentlich letzteres. Wir sind beides Österreicher...das war auch ganz neu für uns, wir sind damit vorher nie konfrontiert worden. Das ist etwas, dass hier stattfindet, in anderen Ländern gar nicht. Auch nicht in Österreich.
Florian: Wir haben nicht damit angefangen Musik zu machen, um uns mit Deutsch-Sein auseinander zu setzen. Von der Presse wurde das vor allem 2004 ganz oft aufgeschnappt: Wenn man auf Deutsch singt, muss man sich auch Gedanken übers Deutsch-Sein machen. Das war bei uns nie Thema.
Glaubt ihr, dass eure Musik auch außerhalb des deutschsprachigen Raumes Erfolg haben kann? Ihr habt ja auch schon mal in Polen eine kleine Tour gespielt.
Gerald: Polen und Holland haben wir ein bisschen ausprobiert. Das hat eigentlich total super funktioniert. Wir haben da gemerkt, dass unsere Musik an sich, dieser Groove, diese Tanzbarkeit und die Attitüde, die dann am Ende des Tages übrig bleibt, dafür ausreicht, dass die Leute das gut finden.
Florian: Es ist trotzdem relativ schwer. Man muss schon dafür arbeiten. Aber wir haben da sehr viel Bock darauf. Vor allem in Holland läuft es ganz gut. Man muss in dem Land dann immer jemanden haben, der das geil findet und uns unterstützt. In Holland haben wir ein paar solche Leute. Dadurch können wir inzwischen in Holland schon so touren wie früher in Deutschland. In anderen Ländern ist das noch relativ schwer.
Was bedeutet für euch Erfolg?
Gerald: Erfolg ist für uns, dass wir das, was wir machen wollen, in diesem Ausmaß machen können.
Florian: Erfolg ist schon in gewisser Weise eine Form von Wachstum. Du freust dich natürlich riesig, so wie auf dieser Tour jetzt, dass mehr Leute kommen als früher. Das ist für uns ein riesiger Erfolg. Es war für uns aber auch damals ein großer Erfolg überhaupt die Möglichkeit zu haben, eine LP bei einer großen Plattenfirma zu machen. Für uns war damals ein ganz großes Ziel erreicht, was zuvor undenkbar war: Wir können, seit wir den Deal mit Mute haben, von unserer Musik leben. Das ist natürlich der Wahnsinn.
Die Leute bei Mute lassen euch auch in aller Ruhe arbeiten? Ihr hattet ja viel Zeit für das zweite Album.
Gerald: Ja, genau so ist es.
Interessiert ihr euch für Fußball?
Florian und Gerald: Nein.
Gut, damit hat sich die letzte Frage dann erübrigt...
[Beide lachen.]
20 /
2006
ZEIT ONLINE