Rockstar

“Man sollte immer für die Ewigkeit lieben“

Die Idee, die Songs seines ersten Soloalbums zu kommentieren, fand Bela B. erst unorthodox, aber dann doch okay. Bitteschön

Von Antonia Baum

B-Vertüre 1:22

Ich bin ein glücklicher Mensch, mit einem Hang zur Melancholie. Daraus entstehen die meisten Songs. Es ist schwer, aus dem Glück heraus Lieder zu schreiben. Eigentlich will ich dieser negativen Welt nicht noch mehr Negatives hinzufügen. „Ich bin Künstler. Ich kann nur schreiben, was mir einfällt“, ist meine Ausrede.

Gitarre runter 03:46

Viele Leute tragen heute ihre Gitarren zu hoch. Das nervt mich. Sie können dadurch filigraner spielen und hoffen, mit ihrer Technik angeben zu können. Es sieht nämlich zuerst einmal scheiße aus. Eine Gitarre sollte als Penisverlängerung aus der Lende heraus wachsen. Johnny Cash hat Joaquin Phoenix Prügel angedroht, wenn er in dem Film über Cash die Gitarre falsch hält. Also.

Tag mit Schutzumschlag 03:06

Richard-Kleidermann-Musik läuft im Fernsehen zu Bildern, auf denen Menschen ertrinken. Kindersex wird im Internet angeboten. Bei der NPD reden sie jetzt in ganzen Sätzen, tragen Anzug und dürfen im Fernsehen auftreten. Die Leute freuen sich mehr über einen Versager auf Stefan Raabs Sofa, als über jemanden, der sich gut schlägt. Mein kleiner Neffe hat Taschengeldprobleme, weil er sich Klingeltöne runterlädt. Seit Tokio Hotel spricht man hochoffiziell von der Konsumgruppe der unter Zwölfjährigen. Das kotzt mich an. Deswegen wünsche ich mir einen Tag, an dem einfach mal alles gut ist. Naiv, aber verständlich. Ruhe.

Wenn man den Fernseher anmacht, hat man das Gefühl, dass alles immer schlimmer wird. Aber Katastrophen sind früher auch passiert, sie wurden einem nur nicht sofort, auf allen Kanälen, von allen Seiten und rund um die Uhr präsentiert. Natürlich muss darüber berichtet werden, aber es darf nicht totdokumentiert und vor allem nicht zum Event hochgestylt werden. Sonst wird man kalt.

Irgendetwas bleibt 03:30

Ich musste mal längere Zeit in einem Radiosender verbringen, weil wir da etwas aufgezeichnet haben. In der Küche standen Promotassen rum. Auf einer war ein Künstler abgebildet, der mal das nächste große Ding in Deutschland werden sollte. Hat aber nicht geklappt. Das Einzige, was an ihn erinnert, ist diese Tasse in der hinteren Ecke des Regals der Küche dieses Radiosenders. Das hat mich nachdenklich gemacht. Dieser Typ hat viel Energie darauf verwandt, seine Platte zu machen und das tat er bestimmt gern. Letztendlich hat die zwar niemand gekauft, und wahrscheinlich arbeitet er jetzt in irgendeiner Werbeagentur, aber er war glücklich und konnte das weitergeben. Es ist also doch mehr geblieben als die Tasse. Männer denken in Beziehungen oft daran, dass bald Schluss sein könnte. Aber ich finde, man sollte immer für die Ewigkeit lieben. Wenn es dann doch vorbei ist, tut es zwar weh, aber dafür war es schön bis dahin. Ganz einfaches Konzept: Nicht ans Ende denken, bevor es vorbei ist, sondern genießen. Ich versuche das und schaffe es öfter. Natürlich bin ich nicht perfekt, aber ich kann ja darüber singen.

Traumfrau 03:07

Nicht nur die Mädels in der ersten Reihe träumen. Der Musiker macht auf der Bühne mit. In einer perfekt ausgeleuchteten verschwitzten Traumwelt. Mit dem Publikum flirten macht Spaß: Die Blicke folgen einem und das streichelt das Ego. Ich genieße das und habe keine Lust, mich dagegen zu wehren, idealisiert zu werden. Bei den Ärzten machen wir uns einen Spaß draus und betonen unser Alter oder andere Makel. Die Vorstellung, dass uns die Mädchen im Publikum sexy finden und lieben ist trotzdem toll. Darum spielen die Ärzte ja auch drei Stunden. Je älter sie werden, desto länger bleiben sie auf der Bühne.

Bela B. findet die Frage nach seiner Traumfrau bescheuert. Gibt es so nicht, sagt er. Ausdrucksstarke Augen findet er gut.

Letzter Tag 04:13

Einer Bekannten von mir wurde gesagt, dass sie nur noch drei Monate zu leben hat. Mich hat beeindruckt, wie gefasst sie damit umgegangen ist. Ihr nächster Angehöriger war viel verzweifelter als sie selbst. Mit ihm hatte ich mehr Mitleid als mit ihr. Wenn man stirbt, ist man nicht mehr da, traurig sind die, die zurückbleiben. Das ist nichts Neues, aber es hat mich bewegt. Hätte die Vorhersage gestimmt, wäre sie schon seit zwei Monaten tot, aber inzwischen gibt es eine neue Diagnose: Sie wird wieder gesund. Ich selber habe noch nie jemanden in den Tod begleitet und mich auf diesem Weg damit auseinandergesetzt. Es ist nicht so, dass ich jetzt pausenlos über den Tod nachdenke, aber er ist in mein Bewusstsein gerückt, auch weil ich nicht mehr 21 bin. Nicht mehr unsterblich. Als Horrorfan habe ich damit lange eine romantische Vorstellung verbunden. Das hier ist erwachsener. Ich bin stolz darauf, dass ich dieses Thema mit einfachen Worten umfassen konnte.

Was ist nur los? 2:34

Ich streite mich mit der Frau, die ich liebe, obwohl wir beide etwas ganz anderes wollen.

1. 2. 3. mit Charlotte Roche 03:03

Als Charlotte Roche nicht konnte, hat Bela B. für sie die Schwangerschaftsvertretung bei Fast Foward gemacht. Auf der Platte singt sie mit ihm zusammen ein Lied.

Ich bin Allgemeingut und das ist meine eigene Schuld. Wenn Fans mich ansprechen, bekommen sie ein Foto, ein Autogramm und vielleicht noch eine Frage beantwortet. Ich bin zu ihnen höflich und nett. Es kommt vor, dass ich mich nachts in eine Kneipe setze und einfach meine Ruhe haben will. Aber das klappt nur selten ohne Zwischenfälle: Ich sitze an der Bar, die Leute erkennen mich und wenn sie genug getrunken haben, wollen sie das dann mit mir zusammen machen. Das nervt. Fremde Menschen mit schlechten Sprüchen stellen mir eimerweise Jack Daniels vors Gesicht und den soll ich dann trinken. Muss ich das? Nein, das muss ich nicht und ich erlaube mir, mit diesem Song eine Ansage zu machen.

Sie hat was vermisst 04:06

Wenn man sein halbes Leben mit einem Menschen verbracht hat und es ist Schluss, dann ist das wie Sterben. Ein Freund von mir war zwanzig Jahre mit einer Frau zusammen und dann verließ sie ihn plötzlich. Ich habe versucht, ihm dabei zu helfen, wieder auf die Beine zu kommen. Aber was soll man so jemandem denn sagen? Mir ist die ganze Zeit über nichts Passendes eingefallen, obwohl ich danach gesucht habe. Zwei Jahre später war plötzlich dieser Satz da: Sie hat was vermisst. Ganz klar, die Schuld lag auch an ihm. Damit war alles gesagt und daraufhin habe ich das Lied geschrieben.

Der Vampir mit dem Colt 4:43

Bela B. goes Morricone und weil wir Dick Dale nicht bekommen haben, hat Gary Schmalzl die Gitarre gespielt.

Zappingsong 2:08

Nachts um drei kommt im Fernsehen nur Scheiße. Außer Sarah Kuttner.

Baby läuft fort 3:49

Mädchen, seht euch vor beim Erwachsenwerden. Draußen laufen viele Verrückte rum.

Loverboy 03:53

Man streitet sich mal wieder ausdauernd mit seiner wunderschönen Freundin und möchte sie gerne erwürgen. Wie immer will sie ihre Sachen packen und gehen. Dann sollte man sie bitten, einem in die Augen zu sehen und sie daran erinnern, dass man ihr Loverboy ist. Denn einen besseren gibt es für sie sowieso nicht. Als sich kürzlich Außerirdische in meinem Schlafzimmer materialisierten, um mir den einmaligen Deal vorzuschlagen, dass ich die Welt retten kann, wenn ich sie verlasse, war mir plötzlich alles klar und ich habe ihnen deutlich zu verstehen gegeben: „Ihr kleinen grünen Arschlöcher könnt mich mal.“

Auf der Platte sind noch fünf weitere Lieder drauf. Sie erscheint am 12. Mai.

04 / 2006
ZEIT ONLINE