Spielen

Opa zockt sich schlau

Der japanische Branchenriese Nintendo möchte gern die Welt der Videospiele auf den Kopf stellen. Was früher als die stumpfeste aller Unterhaltungsformen galt, soll nun schlau machen. Und Oma und Opa dürfen mitspielen

Von Andreas Garbe

Zugegeben - Einstein war kein Musterschüler. Schulbildung allein macht also noch kein Genie. Aber schaden tut es sicherlich auch nicht. Und ausgerechnet der größte Hausaufgabenkiller soll nun richtig schlau machen, behauptet jedenfalls Nintendo. Die Firma hat in Japan eine Serie von Videospielen für die tragbare Konsole DS auf den Markt gebracht, die aus Knobel- und Matheaufgaben bestehen und das Gehirn trainieren sollen. Dass es sowas gibt ist vielleicht noch nicht weiter verwunderlich. Es gibt ja auch Bordellsimulationen und Klo-Manager als PC-Spiel. Verwunderlich ist, dass sich Brain Training besser verkauft als so ziemlich jedes PlayStation2-Spiel. Seit Monaten hält sich die Serie beharrlich unter den Top 5 der meistverkauften Titel in Japan. Über drei Millionen Mal wurde sie bislang gekauft. "In Japan ist das schon ein Phänomen", erzählt uns Nintendos Chefentwickler Shigeru Miyamoto. "Ungewöhnlich viele ältere Menschen spielen Brain Training . In Europa erscheint es auch bald und wir sind sicher, dass viele Europäer - vor allem Senioren - genauso Spaß an der Software haben werden."

Wohin soll das nur führen? Eltern, die darüber jammern, dass ihre Kleinen viel zu selten zocken? Kinder, die darüber jammern, dass sich Opa dauernd ihre Spielkonsole ausleiht? Stellt Nintendo die Welt auf den Kopf? Vielleicht nicht die ganze Welt. Denn womöglich bleibt das Phänomen nur auf Japan beschränkt. Immerhin haben die Japaner seit jeher einen durchaus eigenen Geschmack, was Videospiele angeht. Pferderennen, bei uns nicht gerade der coolste Sport, sind dort sehr gefragt. Karatespiele taugen nur, wenn darin auch überdimensionale Brüste in enge Bikinis gepresst über den Bildschirm schwabbeln. In dem PlayStation2-Spiel We love Katamari rollt der Spieler einen Ball umher, an dem kleine Dinge kleben bleiben. Dadurch wächst er und kann dann auch größere Gegenstände aufnehmen. Eine abgedrehte Idee, die außerhalb Japans kaum Käufer findet.

Doch Brain Training ist mehr als nur abgedreht. Was momentan in Japan am meisten gekauft wird sind Spiele, die streng genommen gar keine Spiele mehr sind. Mit einem Englisch-Trainer ist Nintendo auf Platz vier der japanischen Charts gelandet. Auf Platz eins steht Animal Crossing , eine übertrieben niedliche Welt, die sich der Spieler nach seinen Wünschen einrichten kann. Zeitdruck, konkrete Ziele oder eine lineare Handlung gibt es nicht. Stattdessen trifft man lieber Frau Eule und Herrn Igel zum Tee. Das Ganze ist so etwas wie ein Onlinespiel in der Welt von Pu der Bär. "Angefangen hat alles mit der Hundesimulation Nintendogs und Brain Training ", schwärmt Miyamoto. "Nun ist Animal Crossing der Renner. Das Spiel hat sich viermal so gut verkauft wie erwartet: Zwei Millionen Exemplare in wenigen Wochen."

Doch auch wenn Brain Training in den Charts deshalb auf Platz Zwei verdrängt wurde, es sorgt weiter für Schlagzeilen. In Kyoto wird es nämlich inzwischen in einer Anstalt für Demenzkranke eingesetzt. Das Spiel könne zwar Demenz nicht heilen, aber den Geist anregen, heißt es in der Klinik. Die zehn Konsolen des Krankenhauses seien fast immer ausgeliehen. Zum großen Teil ist das Nintendo-PR, doch Brain Training bleibt ein Phänomen.

Der Clou der Schlaumacher-Spiele ist, dass sie das „Brain Age“ des Users errechnen, also dessen gefühltes Alter, basierend auf Denk- und Logikvermögen. Darin liegt wohl der eigentliche Appeal: Ist Opis Oberstübchen jünger als das seiner Enkel? Bin ich klüger als mein Chef? Interessante Fragen. Allerdings: Einstein hätte bestimmt nicht mit seinem IQ geprahlt. Die „Meiner ist länger“ Mentalität hatte ja noch nie viel mit Intelligenz zu tun.

04 / 2006
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