Medien

Multikultur, ja!

In Deutschland formt sich eine Kultur aus verschiedenen Nationen. Tanya Zeran aus Hamburg findet das gut – in ihrer TV-Sendung zeigt sie die schönen und faszinierenden Seiten der Migrationsgesellschaft

Von Christoph Herwartz

Eine Chinesin steht hinter dem Ladentresen, ein Inder spielt auf der Straße Flöte. „Während man in der Politik noch an Integrationsmodellen feilt, lebt man auf dem Boulevard längst multikulturell“, sagt eine leise, sonore Stimme. Mit dem Satz endet der Film über das Hamburger Schanzenviertel. Mit dezenter Musik und schönen Bildern zeigt er die harmonische Gestalt der Multikultur: portugiesisches Frühstück und deutsche Currywurst, türkische Frisöre und Kroaten, die im Park Boule spielen.

Der Film ist ein Beitrag der Sendung Deutschland International , die von einer Gruppe junger Hamburger in deren Freizeit produziert wird und die aktuell beim Bürgerkanal Tide läuft. Deutschland International will Beispiele für gelungenes multikulturelles Leben zeigen und vorantreiben. Die Mittel, die der Initiatoren Tanja Zeran dafür zur Verfügung stehen, sind äußerst beschränkt: Bezahlen kann sie weder den Regisseur, noch die Kameraleute und den Bühnenbildbauer. Das Studio, die Tontechnik und die Kameras werden von Tide gestellt. Das restliche Material zahlt Tanya aus eigener Tasche.

Einmal im Monat nimmt das Team eine Sendung auf, in der Zwischenzeit entstehen die Einspieler. Die Kamera ist liebevoll geführt, der Ton gut abgemischt. Das Studio ist zwar nicht so groß wie das von Harald Schmidt, aber dafür wesentlich schöner. Das Team besteht zum großen Teil aus Studenten, die ihr Handwerk nebenher ausprobieren möchten und von der Idee überzeugt sind: Eine Sendung, die das Thema Internationalität spielerisch, freundlich und unterhaltsam behandelt. Ist das nicht zu naiv? Muss man nicht vielmehr die Probleme angehen? "Nein", sagt Tanja. "Über die Probleme schreiben doch alle."

Im Tide -Studio läuft der Vorspann der Sendung an, Tanya steht an einem Pult, zupft ihr Oberteil zurecht und wartet auf ihren Einsatz. Daneben steht Susanne Weber (die als freie Grafikerin auch für den Zuender arbeitet). Es geht los. Susanne sagt die Sendung an, während die Kamera auf sie zufährt: "Wir begrüßen euch zu Deutschland International -TV, dem neuen kosmopolitischen Magazin." Weder Tanya noch Susanne haben je vorher moderiert. Ablesen tun sie trotzdem nicht, das macht die Sache spontaner. Was nach dem Schnitt bleibt, ist keine perfekte, aber eine bunte, unterhaltsame Sendung, kurzweilig moderiert und mit Filmen, die schon wegen ihrer Ästhetik Spaß machen. Das Medium Fernsehen ist zwar aufwändig zu produzieren, aber genau das richtige, meint Tanya. Nebenbei konsumierbar und mit viel mehr Mitteln als nur dem Text.

Und das ist die Stärke der Sendung: Sie informiert und dokumentiert, aber vor allem unterhält sie. Die Hochglanz-Filme erinnern manchmal schon fast an Musikvideos. Eine politische Sendung für die Jugendlichen der MTV-Generation, egal welcher Herkunft sie sind. "Wir wollen die gesellschaftliche Entwicklung vorantreiben", sagt Tanya. Dass internationale Einflüsse auf die deutsche Kultur so wenig gewürdigt werden, kann sie nicht verstehen.

Ursprünglich war Deutschland International als Heft geplant. Zusammen mit Susanne hatte Tanja schon vor Jahren ein Konzept geschrieben und einen Dummy produziert. Gestorben ist die Heft-Idee nicht: Ein neuer Dummy ist fast fertig. Noch ein paar Seiten, dann will sich Tanya auf die Suche nach einem Verlag oder einem Investor machen. Auch dem Print-Magazin hat sie nicht „Integration“ als politisches Thema auf die Fahne geschrieben. Auf Hochglanzseiten sollen unterhaltsam verschiedene Facetten der Kultur beleuchtet werden. Es geht um Mode, Musik, Film und Literatur gespickt mit Einblicken in Biographien, für die mehr als eine Nation wichtig ist.

Dass das etwas mit Zuwanderungsgesetzen zu tun hat und dass man daraus politische Forderungen ableiten kann, spielt bei Deutschland International eine untergeordnete Rolle.

Das Leben ist das Thema. Wie bei dem Beitrag über ein Deutsch-Argentinisches Paar, das sich beim Tango-Tanzen in Argentinen kennen gelernt hat. Oder in der Geschichte des Chinesen, der seit Jahren ein Restaurant in Hamburg betreibt. Oder beim HipHop-Event, bei dem Internationalität selbstverständlich ist.

Die Macher von Deutschland International glauben an die Zukunft der Multikultur und dass nationale Eitelkeiten in ihr aufgehen werden. In wenigen Jahren wird sich zeigen, ob sie Recht haben. Dann gibt es in Deutschland entweder eine Gesellschaft, die mit Unterschieden zurecht kommt, oder in der sich die Fronten verhärten.

Tanya will ihr Konzept ausbauen und für die Sendung oder das Heft einen Investor finden. Zurzeit arbeitet sie täglich für das Magazin, leben tut sie von ihrem Wochenend-Job. „Noch ein paar Sendungen“, sagt sie. „Dann ist die Entwicklungsphase angeschlossen.“ Dann wird sich herausstellen, ob Deutschland International nur ein Projekt war, oder ob das Konzept eine Zukunft hat.

Ab kommendem Sonntag läuft auf TIDE die dritte Folge der Sendung.

04 / 2006
ZEIT ONLINE