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"Wir wollen den Jungen von nebenan nackt sehen"

Es gibt ein Leben nach den Chippendales. Elke Kuhlen (28) und Nicole Rüdiger (27) bringen das erste Pornomagazin für Mädchen in Deutschland heraus. In "Glück" lassen mal Jungs die Hose runter. Bevorzugtes Objekt der Begierde: der 'Wimpster', eine Mischung aus Trendsetter (Hipster) und Weichei (Wimp). Die beiden Herausgeberinnen im Zuender-Interview

Fragen von Katja Peglow

Wie kam es zur Heftidee und zur konkreten Realisierung?

Elke: Die Idee existierte schon länger in unseren Köpfen. Irgendwann im Urlaub hat es klick gemacht und dann haben wir unsere Sparbücher geplündert. Wir kommen nicht aus der emanzipatorischen Ecke, so nach dem Motto "Wir wollen die Frauenwelt retten". Aber es hat sich schon so eine generelle Unzufriedenheit mit dem Magazinmarkt für Frauen bei uns eingeschlichen. Unser Heft soll schon einen anderen Ansatz als so Hochglanz-Gazetten wie "Woman" oder "Elle" verfolgen.

Wisst ihr, ob schon einmal ähnliche Versuche unternommen wurden, so ein Heft wie eures in Deutschland zu etablieren?

Elke: Es gibt natürlich so etwas wie den „Playgirl“ mit nackten muskelbepackten Typen drin, die am See posieren. Aber da ziehen sich halt die falschen Leute aus.

Wie kann man euer Heft klassifizieren? Fallt ihr schon in die Porno-Ecke? Müsstet ihr theoretisch zwischen der „Praline“ und dem „Playboy“ im Regal stehen?

Elke: Es wäre schön, wenn wir mit einem richtigen Vertrieb mal irgendwann dort landen würden. [lacht] Offiziell sind wir ein pornographisches Magazin, weil die Jungs bei uns eine Erektion über 45 Grad zeigen. Wenn wir im Kiosk stehen würden, müsste unser Heft auch theoretisch eingeschweißt sein - wobei wir uns so etwas finanziell auch gar nicht leisten könnten.
Nicole: Also haben wir zur Sicherheit auf unsere zweite Ausgabe eine Altersbeschränkung (Ab 18 Jahren) draufgedruckt. Sicher ist sicher. In dieser Ecke bewegt man sich nämlich schon auf dünnem Eis.

Wisst ihr, wo die Grenze zwischen Sexblättern und Pornomagazinen verläuft?

Elke: Das haben wir auch erst hinterher erfahren. Bei Jungs ist es die Erektion über 45 Grad und bei Frauen dürfen die inneren Schamlippen nicht sichtbar sein.

Aber ein reines Pornomagazin seid ihr ja trotzdem nicht...

Nicole: Richtig. Wir haben schon den Anspruch, neben dem Ablichten von nackten Jungs auch ernsthaftere Inhalte für Mädchen anzusprechen, die auch darüber hinausgehen, welche Tasche von Dolce&Gabana nächste Saison aktuell ist. Deshalb gibt es bei uns auch Mode- und Musiktipps, aber solche die in den typischen Zeitschriften eher selten stattfinden.

Wie finanziert ihr euch?

Elke: Aus unserer eigenen Tasche. Wir verdienen damit auch kein Geld. Selbst unsere Schreiber und Fotografen machen das alles umsonst. Auch unsere Modelle verdienen da nichts dran. Wir sind froh, wenn wir bei plus minus null rauskommen.

Was ist mit Sponsoren oder Werbung?

Nicole: Schwieriges Thema. Weil wir eher nicht so die Typen sind, die anderen so etwas aufschwatzen können. Und dann gibt es natürlich Leute, die denken, wir kämen aus der Schmuddelecke und wollen damit nicht in Verbindung gebracht werden. Momentan beißen wir in den sauren Apfel und plündern weiterhin unsere Sparbücher.

Fällt die Reaktion auf euer Heft zwischen Jungs und Mädchen unterschiedlich aus?

Elke: Ja, total. Jungs blättern meistens mit einem Schmunzeln drin herum und checken so die Lage, während es die Mädchen entweder total super finden oder extrem ablehnen.

Was ist mit Schwulen?

Elke: Die mögen es eigentlich auch, auch wenn sich das Heft inhaltlich schon an Mädchen orientiert.

Und euer privates Umfeld?

Elke: Reagiert positiv. Wenn was Kritisches kam, dann eher darauf bezogen, dass wir keine tätowierten Hardcore-Typen und stattdessen überwiegend so Hungerhaken ablichten und [lacht] warum wir uns für einen Blocksatz entschieden haben.

Und eure Eltern?

Nicole: Mein Papa nimmt unser Heft mit zur Arbeit und verkauft es dort. Und meine Mutter sammelt akribisch alles, was über uns berichtet wird.

Woher bezieht ihr eure Models?

Elke: Über Freunde und entfernte Bekannte.

Nach welchen Kriterien geht ihr dabei vor?

Nicole: Momentan nach gar keinen. Wir sind froh, wenn sich überhaupt irgendwer dazu bereit erklärt. Was wir halt nicht wollen, sind diese klassischen Schönlinge. Einmal hat sich so ein Sportstudent bei uns beworben, der genau diesem Klischee des klassischen Sportstudenten entsprach. Blond, braun gebrannt, muskulös. Auf irgendeiner Wiese posierend. Es hat nur noch gefehlt, dass der jetzt gleich einen Fußball rausholt und seinen Fuß so lässig drauf abstützt. Dem haben wir abgesagt.

Aber ihr könnt doch trotzdem nicht abstreiten, dass die Jungs bisher so einem groben Wimpster-Ideal entsprechen. Sie sind meistens dünn, blass,...

Nicole: Genau. Wir wollen den Jungen von nebenan nackt sehen. Die werden auch bei den Fotoshoots alle nicht geschminkt, ausgeleuchtet und hinterher durch den Photoshop gejagt.

Findet ihr auch, dass sich das klassische Männerbild in letzter Zeit verändert hat? Weg vom Mann und hin zum Jüngling? Ist der Wimpster deshalb momentan so populär?

Elke: Wir glauben, dass es so was schon immer gegeben hat. Früher war es vielleicht Mick Jagger und heute ist es Adam Green. Diesen Gegenpol zum klassischen Schönheitsideal wird es immer geben. Und obwohl der Wimpster zurzeit vielleicht mehr Beachtung als sonst erfährt, steht das Gros der Frauen dennoch auf einen anderen Typ Mann als wir, einfach weil wir auch aus einem anderen Ghetto stammen.

Inwiefern unterscheidet sich der Wimpster vom Metrosexuellen?

Nicole: Der Wimpster würde sich selbst nicht als Wimpster bezeichnen. Der Metrosexuelle hingegen schon.

Was zeichnet einen klassischen Wimpster aus?

Elke: Er ist immer in seine Exfreundin verliebt und hat einen Hang zum Melancholischen.
Nicole: Seine Frisur sieht immer ungemacht aus, obwohl sie es nicht ist.

Wer sind eure Lieblings-Wimpster abgesehen von Vincent Gallo, der in der ersten Ausgabe zum coolsten Typen aller Zeiten gekürt wurde?

[lautes lachen]
Nicole: Der fällt da nur optisch rein, ansonsten ist der zu sehr Mann, um als Wimpster durchzugehen. Der ist Sex. Der hat so ein Fick-mich-Gesicht. So was hat ein klassischer Wimpster nicht.
Elke: Also mir gefällt Conor Oberst.

Glaubt ihr, dass so ein Heft auch umgekehrt funktionieren würde? Mit coolen Mädchen statt mit Jungs?

Elke: Klar. Wir kriegen das von Jungs auch echt oft zu hören, warum es denn so was noch nicht gibt. Im "Playboy" gibt es, glaube ich, eine Rubrik, in der sich Sabine F., von Beruf Arzthelferin, einmal im Monat nackig machen darf. Das ist aber auch nicht echt, weil Sabine F. hinterher im Photoshop aufgestylt wurde. Ich könnte mir gut vorstellen, dass so ein Pendant zu uns auch funktionieren würde. Natürlich auch nur für eine Nische. Darüber sollte man sich immer im Klaren sein, dass man damit keine Massen erreichen kann.

www.leckerheft.de (1. Ausgabe) / www.gluecksheft.de (2. Ausgabe)

04 / 2006
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