Interview

"‚Was nicht passt, wird passend gemacht’ war ein Rückschritt"

Peter Thorwarth landete mit "Bang Boom Bang" einen der wenigen echten deutschen Kultfilme der 90er. Im Zuender-Interview spricht er über seinen neuen Film "Goldene Zeiten", die ewige Filmkulisse Unna und seinen nie gedrehten Fantasythriller mit den Ramones

Fragen von Jan Simon

ZUENDER: Einem größeren Publikum wurdest Du Ende der 90er durch "Bang Boom Bang" ein Begriff. Wie schätzt Du dessen Erfolg rückblickend ein?

"Bang Boom Bang" hatte damals 500.000 Kino-Zuschauer, was gut war, aber zu der Zeit lief es für deutsche Filme ohnehin. Besonders an dem Film ist, dass er ein spezielleres Publikum sehr intensiv angesprochen hat. Die Erinnerung an "Bang Boom Bang" ist heute noch extrem. Ich war neulich gerade in Bochum zur "Sechs Jahre Party". Dort sind wieder 400 Leute aufgelaufen, die den Film komplett mitsprechen können. Das ist in Deutschland selten.

ZUENDER: Der Nachfolger war dann ja noch erfolgreicher, kam an den Kultstatus von "Bang Boom Bang" aber nicht heran.

"Was nicht passt, wird passend gemacht" hatte sogar 800.000 Zuschauer, was aber nicht nur auf den Erfolg von "Bang Boom Bang" zurückzuführen war. "Was nicht passt…" ließ sich einfacher als Komödie vermarkten und ist ein Film, der den Leuten nicht wirklich weh tut. Da konnte man ohne weiteres auch die Omma mit rein nehmen. Ich habe den Film persönlich eher als Rückschritt empfunden - es gab ihn ja vorher schon als Kurzfilm, der die Essenz der Story bereits ausdrückte.

ZUENDER: Das klingt, als sei das damals eine Verlegenheitslösung gewesen…

Ich bin auch tatsächlich ein bisschen überredet worden. Eigentlich wollte ich nämlich einen Fantasiethriller über und mit den "Ramones" machen, den ich mit einem Kumpel geschrieben hatte. Leider wurde damals nichts aus dem Projekt, und inzwischen ist es im wahrsten Sinne des Wortes gestorben. Plötzlich hatte ich also nichts zu tun, und so kam es zum Langfilm "Was nicht passt…".

ZUENDER: Einen Fantasiethriller mit den Ramones?

Ich fand das eine gute Idee. Wir hatten eine ziemlich geile Story entwickelt, die auf der These basierte, dass Musiker, die so einen extremen Erfolg und anschließend einen so mysteriösen Abgang haben, alle einen Pakt mit dem Teufel unterschrieben haben, ohne davon zu wissen. Der Teufel schickt Musikmanager auf die Welt, die die Künstler Verträge unterschreiben lassen, in denen sie ihm ihre Seele verkaufen. Die Ramones hatten in den 70ern auch so einen Vertrag unterschrieben, konnten sich aber null daran erinnern. Dann war die Zeit abgelaufen, und ein Typ aus der Hölle kommt vorbei, um die Jungs abzukassieren. Parallel dazu taucht dann so ein Skater auf, der zufällig den Vertrag in die Hände bekommt...

ZUENDER: Und den wolltest Du mit der Originalband drehen?

Ja - wir haben die auch alle getroffen, aber anfangs waren sie noch unglaublich zerstritten. Johnny Ramone, Diddy Ramone – alle. Wir haben sie mehrfach privat besucht, in L.A. und in New York. Diddy Ramone war dann auch mal hier, und die Jungs waren am Schluss wirklich bereit, die Geschichte zu machen. Dann ist einer nach dem anderen gestorben. Erst Joe, der eine leukämieartige Krankheit hatte, dann starb Diddy, der sich heroin-mäßig weggeschossen hat, und als letzter schließlich Johnny Ramone. Damit war das Pojekt beendet – vielleicht sind sie tatsächlich abgeholt worden.

ZUENDER: Bekanntlich spielen Deine Filme bisher alle in Unna. Gibt es Drehorte einzelner Szenen, die für Dich eine besondere Bedeutung haben?

Ja – der Bombentrichter aus "Bang Boom Bang" zu Beispiel. Da haben wir früher immer gezeltet. Das ist eigentlich ein alter Steinbruch, der mittlerweile sogar zur Kultstätte wurde, denn das Grab von Schlucke, der von Martin Semmelrogge gespielt wurde, existiert ja immer noch. Da sind mittlerweile schon einige Leute hingefahren, haben sich da reingelegt und sich fotografieren lassen.

ZUENDER: Du hast Diether Krebs als gestandenen deutschen Schauspieler quasi wieder auf die Leinwand geholt. Wie war das Verhältnis zwischen Euch beiden?

Mit Diether habe ich das erste Mal ja schon für meine Hochschulkurzfilmversion von "Was nicht passt…" gearbeitet. Unser Verhältnis war immer herzlich, aber auch sehr professionell – ich habe ihn lange gesiezt. Nach dem Drehschluss von "Bang Boom Bang" haben wir dann in einem Dortmunder Hotel an einer Bar gestanden, und ich meinte "Ja Herr Krebs, nun haben wir es ja endlich geschafft". Er sagte dann "Jetzt lassen wir das doofe Herr Krebs mal weg, ich bin der Diether." Ein Jahr später kam er dann mit seiner Familie zur Premiere, sah den Film und meinte, wie toll es gewesen sei, dass er sich noch mal so auf der Leinwand sehen konnte – als so ein Arschloch, das gleichzeitig so sympathisch sei. Als es hieß, Diether Krebs sei an Krebs gestorben, konnte ich das nicht glauben, denn ich wusste bis dahin gar nicht, dass er krank war.

ZUENDER: Warst Du auf seiner Beerdigung?

Ja, und das war sehr aussagekräftig, denn der Münchner Regisseur Bernhard Wicki ist etwa zeitgleich gestorben. Deshalb wurden beide am gleichen Tag beerdigt. Diether Krebs´ Beerdigung war auf dem Essener Volksfriedhof, und die gesamte Schauspielprominenz war in München. In Essen habe ich außer seinem guten Kumpel Dieter Pfaff, der übrigens auch aus Unna kommt, niemanden gesehen. Dafür war er eben der Volksschauspieler schlechthin - der ganze Friedhof war voller Leute, und denen war auch ganz egal, ob sie Schwarz trugen oder im Trainingsanzug kamen. Umso trauriger, dass ihm von diesen Fernsehsendern keiner mehr ´ne Rolle gegeben hat. Keiner hatte den Mut, dem mal eine Charakterrolle zu geben. Für die war das immer der "Spacko" mit dicker Brille und falschen Zähnen aus Sketchup, die konnten sich das einfach nicht vorstellen.

ZUENDER: Dein neuer Film spielt großteils auf einem Golfplatz, einer der Hauptdarsteller kommt aus Hollywood und spielt im Film den Ex-Star eine 80er-Jahre US-Action-Serie. Wie kommt man auf so eine Idee?

Während der Dreharbeiten von "Was nicht passt…" bin ich tatsächlich vom Unnaer Golfklub zu einem Charity-Turnier eingeladen worden. Ich hatte bis dahin nie Berührung mit dem Sport und plötzlich finde ich mich auf gepflegtem Grün, zwischen einem Haufen B-Promis, ungefähr 10 Kilometer Luftlinie von meinem Elternhaus wieder. Das war schon skurril genug und zum Höhepunkt der Veranstaltung landet ein Hubschrauber und Larry Manetti und Roger E. Mosley torkeln raus. Ich dachte, ich seh nicht richtig - das waren tatsächlich die Jungs, die Rick und TC in "Magnum" gespielt haben. Allerdings leicht in die Jahre gekommen und dem Alkohol offensichtlich nicht abgeneigt. Ich bin mir sicher, dass außer mir bestenfalls noch 3% des Rests der Leute überhaupt wussten, wer die eigentlich sind. Das war denen aber auch egal, allein der Umstand, dass die aus Hollywood kommen, war wohl Grund genug, die da hinzukarren. Damals hab ich noch mit Christian Kahrmann rumgealbert "Wenn das jetzt irgendwelche Lookalike-Klepper` wären, würde das keinem auffallen".

ZUENDER: Wie bist Du an Dirk Benedict geraten?

Ich habe ihn in Hamburg anlässlich ´ner Fan-Convention getroffen, wo ich ihm das Buch gemeinsam mit meinem Produzenten Christian Becker persönlich übergeben habe. Er wusste anfangs nicht so richtig, was er von uns halten soll und meinte "Man! You’re both so young!". Irgendwie kam dann aber was rüber, zumindest hat er sich mit den Worten "I ´m your man" verabschiedet. Christian und ich haben uns natürlich noch jeder eine "A-Team"-DVD signieren lassen.

ZUENDER: Wir sitzen hier ja gerade im Studio von Kraans de Lutin, dem Produzenten des Soundtracks. Soweit ich weiß, ist das sein erster Soundtrack – wie kam es zu dieser Wahl?

Um diesen Film haben sich eine Menge Zufälle ereignet. Kraans de Lutin ist z.B. 15 Kilometer entfernt von mir in Menden aufgewachsen, kennen gelernt habe ich ihn aber erst hier in Berlin. Ich habe eine Layout-CD von seinem Verlag bekommen und fand einfach super, was ich da gehört habe. Mir war klar, dass ich dieses Mal mit jemandem zusammen arbeiten wollte, der frisch an die Sachen rangeht.

ZUENDER: War er der Einzige, der in Frage kam?

Nein. Ich hatte über die Sache z.B. auch mal mit Tobi von Fünf Sterne Deluxe gesprochen, aber Kraans arbeitete einfach so schnell und seine Sachen haben mir so gut gefallen, dass das schnell überhaupt keine Frage mehr war. Ich habe gemerkt, dass der richtig Bock hat und das war mir sehr wichtig. Ich konnte hier auch einfach reinkommen und mal ´nen Änderungswunsch nennen, ohne dass Kraans sich angepisst gefühlt hätte. Das war schon eine geniale Zusammenarbeit und ich glaube, dass das gerade für einen deutschen Film ein einmaliger Soundtrack ist. Es kommt nicht oft vor, dass Film und Soundtrack so miteinander verwachsen. Bei "Lola Rennt" hat das z.B. ganz gut funktioniert. Aber es gibt auch Filme, bei denen da unglaublich verzockt wird. "Soloalbum" spielt ja z.B. in der Musikindustrie, und der Film hat für mich den uninspiriertesten Soundtrack, den ich je gehört habe. Da haben sie wahrscheinlich das gesamte Budget draufgehauen, um sich den Song von Oasis leisten zu können - ansonsten ist mir da nichts in Erinnerung geblieben. Das ist schade, denn es gibt eine Menge geiler Musiker in Deutschland, aber irgendwie gibt es da immer noch Berührungsängste.



Peter Thorwarth hat mit "Bang Boom Bang" mit Oliver Korittke in der Rolle des dem ewig kiffenden Keek einen der wenigen echten deutschen Kultfilme der 90er geschaffen. Zugleich setzte er damit den Startschuss zu seiner "Unna-Trilogie", die nach "Was nicht passt, wird passend gemacht" (2002) ihren Abschluss nun in "Goldene Zeiten" findet, der am 26.01. in die Kinos kommt. Thorwarth wuchs im nahe Dortmund gelegenen Unna mit seinen knapp 70.000 Einwohnern auf und machte dort noch Abitur, bevor es ihn nach München an die HFF zum Filmstudium zog. Weil die in den 90ern dominanten Beziehungskomödien bevorzugt in Großstädten spielten, empfand er es als Herausforderung, seine Filme in seiner Heimatstadt anzulegen. Dort zählt er inzwischen zur Lokalprominenz – Wikipedia führt seinen Namen beim Schlagwort "Unna", wo übrigens auch Fußballer Billy Reina (früher BVB) genannt wird, dessen Haus in "Was nicht passt…" als Kulisse diente.

02 / 2006
© ZEIT ONLINE