Interview
"Ich bin keine Schauspielerin. Und singen kann ich auch nicht"
Julia Hummer ist eigentlich Schauspielerin. Doch seitdem sie ihrem Mitbewohner die Gitarre geklaut hat, lebt sie für die Musik
"Warte mal ganz kurz", sagt Julia Hummer. "Ich schütte mir nämlich noch einen Tee ein, gehe mit den Zigaretten und dem Tee zum Bett und schmeiß mich dann rein, weil ich ein bisschen angekränkelt bin." Das Gespräch findet am Telefon statt. "Ich habe 18 Stunden am Stück geschlafen", sagt sie. "Und ich bin immer noch so müde." Aber es kann losgehen.
Stehst du eigentliche auf New Yorker Anti-Folk a la Adam Green oder The Moldy Peaches ?
Von Moldy Peaches habe ich gerade einen Song gehört. Finde ich sehr cool, besonders die älteren Sachen. Adam Green alleine finde ich ein wenig schwierig, weil er mir ein bisschen zu clownig ist. So: haha, witzig! Wie heißt sie denn noch, die andere? Kimya Dawson, die finde ich so toll. Die alleine mag ich lieber als Adam Green alleine.
Ist Folk/Anti-Folk dein bevorzugter Musikstil?
Nein, so etwas höre ich sonst gar nicht. Was ich jetzt gerade gehört habe, war von Graham Nash die Songs For Beginners . Was habe ich noch gehört? Velvet Underground , Neil Young. Aber da muss ich zugeben, dass die Platten meinen Kritikern hinterher gekauft sind, um zu gucken womit die Journalisten meine Musik vergleichen. Ich bin losmarschiert und habe mir angehört, wovon die reden. Denn teilweise kannte ich die Sachen nicht wirklich.
Wie würdest du denn deinen eigenen Musikstil beschreiben?
Singer-Songwriter-Pop? Oder Folk-Pop vielleicht? Ich habe die Stücke alle zuhause geschrieben, alleine mit Gitarre und Mundharmonika. Selbst schreiben und selbst singen heißt dann wohl eben: Singer-Songwriter.
Dann machst du diese Musikrichtung, weil der Schaffensprozess darauf angelegt ist und weniger, weil das die Musik ist, die du eigentlich hörst?
So hat es auf jeden Fall angefangen, ja. Aber ich muss auch den Kritikern Recht geben, die meine Songs mit anderen Songwritern vergleichen: Wenn mir nicht ein Freund eine Bob Dylan-Platte mitgebracht hätte, dann hätte ich auch keine Gitarrenmusik gemacht. Ich mochte die Musik und habe deshalb geguckt, was Bob Dylan für Musik gehört hat. Nicht weil ich auch so eine Musik machen wollte, sondern weil ich auch alleine mit Gitarre war. Und dann habe ich eigentlich nur noch so alten Blues und Folk gehört: Reverend Gerry Davis, Robert Johnson, Leadbetter , American Folk Anthologie von Harry Smith, Hank Williams … Das wird nie mehr weggehen. Das ist wie eingebrannt.
Was hast du für Musik gehört, bevor du selber zu spielen angefangen hast?
Vorher? Da habe ich eigentlich alles durcheinander gehört, z.B. Rock wie Kuyss und Slow Burn .
Und wie hast du das Singen gelernt?
Singen gelernt? Ich kann nicht singen! Das habe ich gar nicht gelernt, da habe ich einfach mit angefangen, den Mund aufgemacht.
Autodidaktisch also?
Ja. Ich singe doch nicht gut! Ich bin keine Sängerin, ich singe halt einfach. Alle anderen sagen immer "elektrisches Nölen" und "sie hat ne quäkende Stimme" (lacht).
Erzähl mal, wie du zu deiner ersten Gitarre gekommen bist.
Ich habe die viersaitige Drecksklampfe einfach bei meinem Mitbewohner gestohlen. Wenn du die hochgehoben hast, hat die geklötert: Das komplette Innenleben war Schrott. Vom ersten Moment an habe ich auf diesen vier schrecklichen Saiten losgespielt - ohne dass ich wusste, wie man so etwas stimmt. Kann auch sein, dass ich sie mir einfach nur geschnappt habe wegen der ganzen geilen Sticker drauf. Mir war halt langweilig. Zuerst habe ich probiert ein paar Akkorde zu spielen, dann habe ich mir ein Buch gekauft und neue Saiten aufziehen lassen. Irgendwann war sie mir zu leise und ich habe mir eine Western Gitarre gekauft. Die ist lauter, nervt aber die Nachbarn nicht. Und dann habe ich immer weiter Songs geschrieben.
Hat dein Mitbewohner seine Gitarre irgendwann zurückbekommen?
Na klar. Aber meine erste Gitarre gibt es nicht mehr, weil ich sie kaputt gehauen habe.
Auf einem Konzert oder zuhause?
Zuhause.
Vor Wut?
Weiß ich auch nicht, aber ich glaube schon. Es ging um den Akkord F-Dur, der nicht hingehauen und mich eine Woche lang verfolgt hat. Mir tat echt schon alles weh. Kennst du Sehnenscheidentzündung? Es heißt ja nicht umsonst blutiger Anfänger. Echt ätzend! Da habe ich einfach das Ding in die Ecke gehauen. Und dann bin ich sofort losgegangen und habe mir eine neue gekauft (lacht). Zum Glück hatte ich da noch Geld über.
In der ZEIT stand einmal, dass du nicht einmal das Geld hättest, um dir ein Bier zu kaufen.
Der war cool, der Typ. Den fand ich voll witzig. Aber doch, so viel Geld habe ich noch.
In dem Artikel ging es um den Film Gespenster , mit dem du auf der Berlinale vertreten warst. Das Publikum kennt dich bereits als die Schauspielerin Julia Hummer. Eine singende Schauspielerin zu sein - stört dich das?
Nö. Das ist mir eigentlich Wurscht. Ein Schauspieler ist jemand, der seiner Bestimmung nachgeht, Schauspieler zu sein, und andere Schauspieler trifft und was weiß ich, was Schauspieler noch so alles machen. Bei mir war das eigentlich nie so. Ich habe mich nie als Schauspielerin empfunden, selbst nachher nicht, als ich mich selber auf der Leinwand gesehen habe. Es ging mir nur um die Arbeit. In der Schauspieler-Szene war ich eh nie drin und habe mich auch nie dafür interessiert.
Warum hast du dann so künstlerische Filme gemacht?
Das lag daran, dass sie gut geschrieben waren. Ich sage ja nicht, dass mich ein gut geschriebenes Buch nicht interessiert. Die Drehbücher haben mir schon immer viel Spaß gemacht.
Irgendwo habe ich gelesen, dass du nie wieder als Schauspielerin vor die Kamera treten willst.
Ja ja, die haben von mir auch gut einen auf die Mütze gekriegt, weil ich das gar nicht gesagt habe. Ich habe gesagt: "Wenn ich noch einmal einen Film drehe, dann wird das auf jeden Fall was sehr besonderes sein." Ich schließe so etwas nicht aus. Aber wenn ich wieder einen Film drehe, dann als Musikerin, die einen Film dreht und nicht anders herum.
Du hast Industriedesign studiert. Wird als nächstes die Modedesignerin Julia Hummer kommen?
Ich habe das Studium leider abgebrochen, weil ich nie hingegangen bin wegen der Musik. Ich bin halt Songwriter, fertig.
Im Dezember hast du wieder elf Tage volles Programm, denn dann bist du auf Tour. Mit Gitarre in der Hand am Mikrofon: Ist das der Versuch vom ewigen Teenie-Image wegzukommen?
(lacht) Woran soll ich denn noch alles denken? Image! Find ich Scheiße, habe ich auch kein Bock drauf, kann ich nicht: "So was machen wir jetzt mal? Och, dann mach doch mal ein Album und schreib fünf Jahre lang Songs, das ist gut für dein Image." Nein, ich denke eigentlich über Image nicht nach. Musik ist einfach das Größte für mich, was es gibt.
Bei uns im Leserblog gab es bereits einen lobenden Beitrag über dein Konzert im Festsaal Kreuzberg. Wie hat dich das restliche Publikum auf deiner letzten Tour empfangen?
Das war großartig. Es war nicht die erste Tour, deshalb waren auch nicht so viele Leute dabei, die eine singende Schauspielerin sehen wollten. Die hatten einfach Bock auf die Musik. Touren ist mit so das coolste, was es gibt. Wir hatten sogar einen Auslandsauftritt in Wien, yeah! Aber was hat der Leser denn geschrieben?
Kannst du ja lesen.
Ja, aber ich habe kein Internet-Anschluss und heute gehe ich bestimmt nicht mehr ins Internet-Cafe.
Einen Tipp hat Julia noch: Am 22. Dezember spielt sie im Roten Salon in Berlin Wunsch-Coversongs mit anderen Songwritern zusammen.
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2005
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