Soundtrack

So klingt... die Autobahn, wenn man sich verliebt

Manchmal ist eine Brücke eben doch nicht nur etwas, über das man geht. Für jemanden ist sie vielleicht Punk. Oder die Pixies. Drei Geschichten, drei Orte, drei Songs. Heute: Die Autobahn und Die Fantastischen Vier: "Das Baby ist der Hammer"

Von Diane Hielscher

Berlin Friedrichhain. Eine kleine Straße, in der früher die Häuser besetzt wurden. Darin sind jetzt Kneipen, in denen Punks nur einen Euro für ihr Bier bezahlen müssen. Die Mieten sind noch billig, man sieht, dass das der Ostteil der Stadt war. Die Stalin Allee um die Ecke heißt jetzt Frankfurter Allee.

Hier wohnt Joachim – genannt: Jo, 25, Magisterarbeit-Schreiber, Frohnatur, Bierfan, Freiheits-Fan. Seit einiger Zeit in einer Beziehung. Das Baby ist der Hammer haben die Fantastischen Vier dazu gesungen.

OK, ich kam zu der Beziehung genau wie die Zahl zur Ziehung Der Lottozahlen oder wie Stars zu Otto-Wahlen, bei der Misswahl meines Lebens ist sie die Nummer eins

In seiner kleinen, ranzigen Straße holt sie ihn ab. Die Unbekannte von der Mitfahrzentrale. 20 Euro für 500 Kilometer nach Frankfurt am Main. Beide haben ihre Familien dort – Jo und die Unbekannte. Beide studieren und arbeiten in Berlin. Sie beugt sich über ihren Kofferraum, macht Platz für sein Gepäck. Er denkt: "Whow!" Und kommt sich bescheuert dabei vor, denkt es trotzdem.

Nenn es Schicksal oder Zufall oder nenns von beidem keins, sie ist die Frau, die mir den Atem raubt, mir die Sprache klaut mir auf den Magen haut, mir letzten Endes die Moral versaut

Er schmeißt seine Reisetasche in den Kofferraum, setzt sich nach vorn. Findet sein Erlebnis kitschig. In ihrem Auto läuft "Die fantastischen Vier – LIVE". Eine seiner Lieblings CDs. Kommt sich vor wie in einem schlechten Liebesfilm. Die beiden reden die ganze Fahrt über. Über alles. Irgendwann erzählt er vom Cluso-Konzert. Sie war auch da – Bettina war auf dem gleichen Konzert wie er, in Berlin. Sie standen an Plätzen, gar nicht weit voneinander entfernt.

Ja Mann, das Leben spielt wie es eben will Jedenfalls kommt es eher anders als man plant oder erahnt Und dann triffts Dich ohne Rücksicht, ob Du willst oder nicht, machst Du plötzlich einen Glücksgriff und dann, hebst Du ab und schwebst bist so high dabei als ob Du über den Wolken lebst, wie Reinhard Mey

Er starrt in ihre blauen Augen und als wären das nicht genug Klischees: blond ist sie auch noch. Lustig, albern, bescheuert – perfekt. Sie tauschen ihre Nummern aus. Fahren am Sonntagabend wieder zusammen zurück nach Berlin. Telefonieren ab und zu, sporadisch. Treffen sich, platonisch.

Jeder Tag mit ihr zusammen ist wie vier Wochen Urlaub Immer viel zu schnell vorbei, weil ich nie auf die Uhr schau Alles andere verpasse und meine Freunde mich hassen,

Genau drei Monate später: Bettina holt Jo ab. Wieder direkt vor seiner Haustür. Wieder Elternbesuch. Wieder Fanta 4. Wieder beugt sie sich über den Kofferraum, wieder schmeißt er seine Reisetasche rein. Alles vor seiner Haustür, ranzig, schmutzig, beschmiert. Wieder quatschen sie im Auto, ohne Pause.

DAS BABY IST DER HAMMER Baby, Baby geh nie weg von mir Baby, Baby bleib bei mir. Sie ist meine Traumfrau und kaum schau ich ihr in die Augen, lockert sie mir die Schrauben, lässt mich unentwegt an Wunder glauben, mitunter rauben mir Duft und ihre Stimme meine Sinne.

Auch der Rückweg wieder, gemeinsam. Sie bringt ihn nach Hause. Fährt ihn direkt vor seine Haustür – natürlich! Beschließt genau dort, mit ihm zusammen sein zu wollen.

Als ich sie endlich fand, wussten alle bescheid, wir war`n Paar wie Bonny und Clyde, wir machten Kino wie Tarantino und ich war stylish, wie Robert de Niro in Casino Das Baby ist der Hammer.

47 / 2005
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