Interview

"Für Politik sind wir nicht zuständig"

Sven Regener beginnt am 1. Dezember im Zuender sein tägliches Weblog über Schlimmes und nicht ganz so Schlimmes aus der dunklen deutschen Vorweihnachtszeit. Der Element-of-Crime-Frontmann hat aber auch noch andere Sorgen als Weihnachten. Das Zuender-Interview

ZUENDER: Ich habe mir die letzten drei Tage nur Element-of-Crime-Alben angehört. Wie sollte es jemandem danach gehen?

SVEN REGENER : Wie bei jeder Musik sollte man glücklicher sein als vorher. Sonst wäre das ja Unsinn.

"Mittelpunkt der Welt" klingt etwas rauer als der Vorgänger "Romantik". Was war bei der Produktion anders als bei der letzten Platte?

Ich glaube, wir waren etwas entspannter. Wir hatten aber nicht speziell den Plan, etwas anders zu machen als bei der "Romantik". So was bringt nichts. Man sollte eine Platte nicht gegen eine vorherige machen, das wäre ein zu negativer Ansatz, gespeist aus niederen Beweggründen.

Ihr befasst euch seit "Romantik" fast nur noch mit Liebe. Warum eigentlich?

Wir befassen uns nicht, lieber Freund, aber unsere Texte haben viel damit zu tun, das sei zugegeben. Gerade so wie bei 90 Prozent aller anderen Songschreiber auch. Das Liebeslied ist die Mutter aller Lieder. Delmenhorst, Straßenbahnen und zugefrorene Baggerseen sollten allerdings auch darin vorkommen, das ist ja klar, von Arztromanen, Müllmännern, Aldi-Weisheiten, dem Meer und U-Bahnen ganz zu schweigen.

EoC wird quer durch alle Subkulturen gehört. Überraschend unterschiedliche Leute haben ein EoC-Album. Woran kann das liegen? Steht die Musik im Vergleich zu den Texten eher im Hintergrund?

Nein. Im Gegenteil. Die Leute mögen unsere Musik. Und die Texte. Unsere Songs eben, und wie sie klingen. Das ist nichts Besonderes. Daß wir quer durch alle Subkulturen gehört werden läßt sich eher daraus erklären, daß wir keiner bestimmten Subkultur zugeordnet sind. Das ist kein Verdienst, aber auch keine Schande.

EoC hat politische Aussagen in Texten immer abgelehnt, weil ihr es für manipulativ haltet und weil Politik da stattfinden soll, wo sie hingehöre: in den Bundestag. Aber wie schafft man es, die Menschen, die das betrifft, auch dahin zu bringen? Man hat ja eher das Gefühl, die meisten bewegen sich weg.

Dafür sind wir nicht zuständig. Ebenso wenig wie für erste Hilfe bei Verbrennungen oder das Gedeihen der Balkonpflanzen. Oder wie Freud sagte: "Manchmal ist eine Zigarre auch einfach nur eine Zigarre".

Wie lebst du als Projektionsfläche für Sehnsüchte und Vorstellungen damit, dass sich Menschen über deine Texte ein Bild von dir machen? Stört dich das?

Da ich weiß, daß es sich dabei um Projektionen handelt, nehme ich das nicht persönlich. Hauptsache, man läßt mich im täglichen Leben damit in Ruhe.

Noch mal kurz zum Buchautor Regener. Nachdem Frank Lehmann in den Achtzigern aufwächst: Wie unterscheidet sich das Jung-Sein heute von dem damals?

Keine Ahnung. Ich war nur damals jung.

Spielt der Staat heute immernoch die gleiche Rolle?

Was die Bundesrepublik Deutschland betrifft: Ja. Die hat als Staat auch heute noch im wesentlichen dieselben Aufgaben. Was die DDR betrifft: die hat ihre Rolle ausgespielt, möchte man sagen.

Jemand schrieb, könnte man eure Musik malen, wärt ihr ein Stück Streuselkuchen, wegen der einfachen rauhen Pointiertheit. Hast du ein besseres Bild zur Hand?

Nein. Nur wesentlich schlechtere.


Fragen von Christian Bangel

Sven Regener bloggt sich durch die Vorweihnachtszeit. Täglich im Zuender

41 / 2005
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