Programmieren
Kunst aus Code
Was mit einem Computer alles möglich ist, kann sich ein Laie kaum vorstellen. Die Demoszene bringt Menschen zusammen, die genau das herausfinden wollen: Was ist machbar? Eigentlich ist das eine technische Herausforderung – aber die Programmierer begreifen sich längst auch als Künstler
Eine Halle, fast 1000 junge Leute. Vor jedem steht ein Computer. Alle Teilnehmer sind mit ihrem Rechner verheiratet. Laute Computermusik dröhnt aus den Boxen. Auf einer großen Leinwand laufen Animationen ab. Die Demoparty „Breakpoint“ in Bingen am Rhein. Demo steht nicht für politische Demonstrationen, sondern für technische. Programmierer, Grafiker und Musiker demonstrieren, was man aus einem Computer rausholen kann. Mit Leidenschaft programmieren, pixeln und komponieren sie an ihren Produkten. Oft arbeiten sie monatelang auf die Präsentation ihrer Programme, der so genannten Demos, hin.
Als in den 80er Jahren die ersten Kopierschutzmechanismen für Spiele auftauchten, gab es einen regelrechten Wettbewerb darum, wer sie aushebeln konnte. Um kenntlich zu machen, wer es geschafft hatte, fügten die Crackergruppen kleine Vorspanne ein, die beim Laden des Spiels gezeigt wurden. Immer aufwändiger wurden sie produziert, denn jede Gruppe wollte ihre Fähigkeiten demonstrieren. Aus dieser „Cracktros“ genannten digitalen Kunst entwickelte sich ein eigenes Genre.
Ein Teil der Szene verzichtete auf das Cracking und beschränkte sich darauf, die eigenen Künste zu präsentieren. Viele Demos zeigten Dinge, für die die Rechnern eigentlich gar nicht vorgesehen waren. Komplexe grafische Elemente auf dem C64, vielstimmige Musikstücke auf dem Amiga, der eigentlich nur acht Spuren kannte. Bis heute ist das der Ehrgeiz jeder Demogruppe.
Über das Internet arbeiten die Gruppen zusammen, bringen in Teamwork Sound, Grafik und Programmierung unter einen Hut. Neben Deutschen sind es vor allem Polen und Finnen, die mitprogrammieren. Die wenigsten von ihnen studieren ein entsprechendes Fach oder haben ein solches abgeschlossen. Auch wenn auf den Partys die besten Demos mit kleinen Preisgeldern belohnt werden, kommerziell ist die Kunst nicht.
Untypische Lebensläufe
Ekkehard Brüggemann gehört seit er 15 Jahre alt war zur Demoszene. Früher arbeitete er bei einem Hardwarehersteller und einer Gameschmiede, heute ist er Lehrer. Als "sTEELER" ist er einer der bekanntesten Organisatoren von Szenepartys. Die Demoszene findet er unglaublich spannend: "Es handelt sich um einen riesigen kreativen Schmelztiegel von jungen Digitalgöttern, die sich auf einem digitalen Spielplatz zwischen Freaktum und Professionalität bewegen." Er ist auch nach einigen Jahren immer noch voller Emphase für die Kunst mit dem Computer. "Programmierung als kreatives Ausdrucksmittel ist etwas, was mich immer wieder weiter treibt", sagt er.
Wenn man ihn trifft, glaubt man ihm das aufs Wort. Nach kurzer Zeit holt er seine Playstation Portable heraus. Wenn man das Gerät bis dahin für ein Spielzeug gehalten hat, wird man nun eines besseren belehrt. Über den kleinen Bildschirm flimmern Demos von verschiedenen Gruppen. Auch eine PSP ist ein Computer. Und alles was ein Computer ist, lässt sich programmieren. "Demos sind eine Form des künstlerischen Ausdrucks, die auf Code basiert. Schon daher sind sie es wert, angeschaut zu werden", sagt sTEELER.
Die Demoszene als Sprungbrett
Was sie in der Demoszene gezeigt haben, nutzen manche Demogruppen auch für ihren Broterwerb. Shinen ist eine Münchener Firma, die sich auf Spiele für tragbare Konsolen wie den Game-Boy spezialisiert hat. "Wir haben schon während unser Demozeit kleine Spiele produziert und auf Demopartys an den 32KB-Game-Competitions teilgenommen", sagt Bernhard Wodok, in der Szene bekannt als "Bartman". 32 KB steht für 32 Kilobyte, das ist etwas mehr als ein leeres Worddokument an Speicherplatz verbraucht. Das Ziel dieser Wettbewerbsdisziplin ist es, möglichst Speicher sparend zu programmieren. Dass Bartmans Gruppe hierin besonders gut war, zahlte sich später aus. "Als wir schließlich ein Spiel für den Game-Boy entwickelt haben und dieses auch verkaufen konnten, haben wir das frühere Hobby zum Beruf gemacht", erzählt Bernhard Wodok. Gerade für Spielkonsolen ist eine effiziente Programmierung wichtig, denn Speicherplatz ist hier meist knapp. Nicht alle in der Demoszene waren begeistert von diesem Schritt. Doch die meisten fanden ihn richtig: "Ein Großteil der Szene freute sich, die Spezialeffekte auch in Spielen zu sehen", sagt Wodok.
Um junge Talente zu entdecken schicken große Computerfirmen Headhunter zu den Demopartys. Chiphersteller Intel, Grafikkartenproduzent ATI und andere Branchengrößen haben schon vor Jahren erkannt, dass sie dort gute Spezialisten finden. Auch wenn die meisten auf den Partys niemals Informatik studiert haben.
Dass er heute als Lehrer sein Geld verdient, findet sTEELER genau richtig: "Ich bin als Multiplikator in der Verantwortung mit neuen Medien sinnvoll umzugehen und dieses Wissen auch zu teilen." In seiner Freizeit ist er weiter in der Demoszene aktiv, unter anderem mit einem Verein, der die Kunstform fördern will . Ganz vom Computer lösen wird er sich wohl nie.
Viele Demos lassen sich auf Seiten wie ftp.scene.org frei herunterladen.
Eine Halle, fast 1000 junge Leute. Vor jedem steht ein Computer. Alle Teilnehmer sind mit ihrem Rechner verheiratet. Laute Computermusik dröhnt aus den Boxen. Auf einer großen Leinwand laufen Animationen ab. Die Demoparty „Breakpoint“ in Bingen am Rhein. Demo steht nicht für politische Demonstrationen, sondern für technische. Programmierer, Grafiker und Musiker demonstrieren, was man aus einem Computer rausholen kann. Mit Leidenschaft programmieren, pixeln und komponieren sie an ihren Produkten. Oft arbeiten sie monatelang auf die Präsentation ihrer Programme, der so genannten Demos, hin.
Als in den 80er Jahren die ersten Kopierschutzmechanismen für Spiele auftauchten, gab es einen regelrechten Wettbewerb darum, wer sie aushebeln konnte. Um kenntlich zu machen, wer es geschafft hatte, fügten die Crackergruppen kleine Vorspanne ein, die beim Laden des Spiels gezeigt wurden. Immer aufwändiger wurden sie produziert, denn jede Gruppe wollte ihre Fähigkeiten demonstrieren. Aus dieser „Cracktros“ genannten digitalen Kunst entwickelte sich ein eigenes Genre.
Ein Teil der Szene verzichtete auf das Cracking und beschränkte sich darauf, die eigenen Künste zu präsentieren. Viele Demos zeigten Dinge, für die die Rechnern eigentlich gar nicht vorgesehen waren. Komplexe grafische Elemente auf dem C64, vielstimmige Musikstücke auf dem Amiga, der eigentlich nur acht Spuren kannte. Bis heute ist das der Ehrgeiz jeder Demogruppe.
Über das Internet arbeiten die Gruppen zusammen, bringen in Teamwork Sound, Grafik und Programmierung unter einen Hut. Neben Deutschen sind es vor allem Polen und Finnen, die mitprogrammieren. Die wenigsten von ihnen studieren ein entsprechendes Fach oder haben ein solches abgeschlossen. Auch wenn auf den Partys die besten Demos mit kleinen Preisgeldern belohnt werden, kommerziell ist die Kunst nicht.
Untypische Lebensläufe
Ekkehard Brüggemann gehört seit er 15 Jahre alt war zur Demoszene. Früher arbeitete er bei einem Hardwarehersteller und einer Gameschmiede, heute ist er Lehrer. Als "sTEELER" ist er einer der bekanntesten Organisatoren von Szenepartys. Die Demoszene findet er unglaublich spannend: "Es handelt sich um einen riesigen kreativen Schmelztiegel von jungen Digitalgöttern, die sich auf einem digitalen Spielplatz zwischen Freaktum und Professionalität bewegen." Er ist auch nach einigen Jahren immer noch voller Emphase für die Kunst mit dem Computer. "Programmierung als kreatives Ausdrucksmittel ist etwas, was mich immer wieder weiter treibt", sagt er.
Wenn man ihn trifft, glaubt man ihm das aufs Wort. Nach kurzer Zeit holt er seine Playstation Portable heraus. Wenn man das Gerät bis dahin für ein Spielzeug gehalten hat, wird man nun eines besseren belehrt. Über den kleinen Bildschirm flimmern Demos von verschiedenen Gruppen. Auch eine PSP ist ein Computer. Und alles was ein Computer ist, lässt sich programmieren. "Demos sind eine Form des künstlerischen Ausdrucks, die auf Code basiert. Schon daher sind sie es wert, angeschaut zu werden", sagt sTEELER.
Die Demoszene als Sprungbrett
Was sie in der Demoszene gezeigt haben, nutzen manche Demogruppen auch für ihren Broterwerb. Shinen ist eine Münchener Firma, die sich auf Spiele für tragbare Konsolen wie den Game-Boy spezialisiert hat. "Wir haben schon während unser Demozeit kleine Spiele produziert und auf Demopartys an den 32KB-Game-Competitions teilgenommen", sagt Bernhard Wodok, in der Szene bekannt als "Bartman". 32 KB steht für 32 Kilobyte, das ist etwas mehr als ein leeres Worddokument an Speicherplatz verbraucht. Das Ziel dieser Wettbewerbsdisziplin ist es, möglichst Speicher sparend zu programmieren. Dass Bartmans Gruppe hierin besonders gut war, zahlte sich später aus. "Als wir schließlich ein Spiel für den Game-Boy entwickelt haben und dieses auch verkaufen konnten, haben wir das frühere Hobby zum Beruf gemacht", erzählt Bernhard Wodok. Gerade für Spielkonsolen ist eine effiziente Programmierung wichtig, denn Speicherplatz ist hier meist knapp. Nicht alle in der Demoszene waren begeistert von diesem Schritt. Doch die meisten fanden ihn richtig: "Ein Großteil der Szene freute sich, die Spezialeffekte auch in Spielen zu sehen", sagt Wodok.
Um junge Talente zu entdecken schicken große Computerfirmen Headhunter zu den Demopartys. Chiphersteller Intel, Grafikkartenproduzent ATI und andere Branchengrößen haben schon vor Jahren erkannt, dass sie dort gute Spezialisten finden. Auch wenn die meisten auf den Partys niemals Informatik studiert haben.
Dass er heute als Lehrer sein Geld verdient, findet sTEELER genau richtig: "Ich bin als Multiplikator in der Verantwortung mit neuen Medien sinnvoll umzugehen und dieses Wissen auch zu teilen." In seiner Freizeit ist er weiter in der Demoszene aktiv, unter anderem mit einem Verein, der die Kunstform fördern will . Ganz vom Computer lösen wird er sich wohl nie.
Viele Demos lassen sich auf Seiten wie ftp.scene.org frei herunterladen.
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2005
© ZEIT ONLINE