Brit-Pop
Braver rocken mit Franz Ferdinand
Seit reichlich eineinhalb Jahren liegt die Musikpresse Franz Ferdinand zu Füßen. Jetzt ist ihr zweites Album draußen. Was macht die Presse? Sie kniet immer noch. Haben das die Ferdinands verdient?
André Hennig
Ja haben sie. "You Could Have It So Much Better" ist kaum im Player verschwunden, die Lautstärkeregler über das der nachbarschaftlichen Koexistenz zuträgliche Maß aufgedreht, schon ist es wieder da. Dieses Gefühl, dass Zuender-Kollege Christian gerne so umschreibt: jetzt unbedingt im Leopardenslip auf dem Fensterbrett Luftgitarre spielen. Die ersten sechs Songs stampfen daher, wie wir es von den Ferdinands kennen und lieben. Straight, knochentrocken, volle Kanne Rock’n’Roll und trotzdem britisch elegant. Da stört es auch kaum, dass schon der erste Titel, "The Fallen", am Anfang so klingt wie der Kracher "The Dark Of The Matinée" vom ersten Album. Ein paar Tempo- und vorgetäuschte Taktwechsel sorgen dafür, dass sich auch der anspruchsvolle Musikliebhaber nicht schämen muss, da auf dem Fensterbrett.
Dann die Überraschung: Nummer sieben, "Eleanor Put Your Boots On", ist eine ausgewachsene Ballade. Mit lagerfeuermäßiger Akustikgitarre und verträumtem Piano. Da stört es wiederum kaum, dass man sich ein wenig an die Beatles erinnert fühlt – "Eleanor" ist der beste Song auf dieser Scheibe. Vielleicht weil wir Balladen von den Ferdinands nie erwartet haben und sie das trotzdem stemmen, grandios. Fast ein wenig Enttäuschung macht sich breit, wenn beim nächsten Stück wieder wie gewohnt losgeballert wird. Nein, ich will jetzt eigentlich nicht schon wieder ins Fenster. Es geht aber so weiter. "I'm Your Villain" ist am tüfteligsten arrangiert, textlich doppelbödig, Ferdinand-typisch, auch wenn es wie immer um verlieben und verlassen geht. Kurz vor Ende wird’s mit "Fade Together" noch mal ganz sehnsuchtsvoll. Verdammt, das ist ja fast noch schöner als "Eleanor", nahezu traurig.
"You Could Have It So Much Better" ist also ganz reelles Material, wird demnächst wieder ganz weit oben in den Album-Charts dabei sein. Kein einziger schlechter Song darunter, dafür zwei schöne Balladen. Fast wäre ich geneigt, mich neben die Kollegen vor Franz Ferdinand hin zu knien. Haben die das wirklich verdient? Nein, haben sie nicht. Denn ich konnte in diesem Jahr noch ein paar andere verdammt gute neue Platten kennen lernen. Da hat keiner gekniet, die wurden bestenfalls wohlwollend besprochen. Selbst Maximo Park und Bloc Party, immer gern als Ferdinand-Apologeten abgetan, sind keinesfalls schlechter als das Original, vor allem letztere nicht. Im Gegenteil. Kele Okerekes Stimme hat Eier, während Alex Kapranos doch immer ein bisschen wie der nette Nachbarsjunge klingt. Und dem Schlagzeuger von Bloc Party fällt auch mal was anderes ein, als der ewig gleiche Ferdinand-Stomp
Aber bei den netten Schotten sind wir mit jedem Song wie "Auf Achse" und laufen mit einem hübschen Mädchen durch duftige Sommerwiesen. Die Kleine studiert Wirtschaftspädagogik und hat, ganz crazy, gerade Blumen im Haar. Nimmt aber garantiert keine Drogen. Wir sind im 21. Jahrhundert. Die Zeiten, wo Sex, Drugs und Rock’n’Roll zusammengehörten sind vorbei. Dass Alex Kapranos auf Kurt-Cobain-Art ins Nirvana eingeht, müssen wir deshalb wohl kaum befürchten. Wünschen wir ihm ja auch nicht.
André Hennig
Ja haben sie. "You Could Have It So Much Better" ist kaum im Player verschwunden, die Lautstärkeregler über das der nachbarschaftlichen Koexistenz zuträgliche Maß aufgedreht, schon ist es wieder da. Dieses Gefühl, dass Zuender-Kollege Christian gerne so umschreibt: jetzt unbedingt im Leopardenslip auf dem Fensterbrett Luftgitarre spielen. Die ersten sechs Songs stampfen daher, wie wir es von den Ferdinands kennen und lieben. Straight, knochentrocken, volle Kanne Rock’n’Roll und trotzdem britisch elegant. Da stört es auch kaum, dass schon der erste Titel, "The Fallen", am Anfang so klingt wie der Kracher "The Dark Of The Matinée" vom ersten Album. Ein paar Tempo- und vorgetäuschte Taktwechsel sorgen dafür, dass sich auch der anspruchsvolle Musikliebhaber nicht schämen muss, da auf dem Fensterbrett.
Dann die Überraschung: Nummer sieben, "Eleanor Put Your Boots On", ist eine ausgewachsene Ballade. Mit lagerfeuermäßiger Akustikgitarre und verträumtem Piano. Da stört es wiederum kaum, dass man sich ein wenig an die Beatles erinnert fühlt – "Eleanor" ist der beste Song auf dieser Scheibe. Vielleicht weil wir Balladen von den Ferdinands nie erwartet haben und sie das trotzdem stemmen, grandios. Fast ein wenig Enttäuschung macht sich breit, wenn beim nächsten Stück wieder wie gewohnt losgeballert wird. Nein, ich will jetzt eigentlich nicht schon wieder ins Fenster. Es geht aber so weiter. "I'm Your Villain" ist am tüfteligsten arrangiert, textlich doppelbödig, Ferdinand-typisch, auch wenn es wie immer um verlieben und verlassen geht. Kurz vor Ende wird’s mit "Fade Together" noch mal ganz sehnsuchtsvoll. Verdammt, das ist ja fast noch schöner als "Eleanor", nahezu traurig.
"You Could Have It So Much Better" ist also ganz reelles Material, wird demnächst wieder ganz weit oben in den Album-Charts dabei sein. Kein einziger schlechter Song darunter, dafür zwei schöne Balladen. Fast wäre ich geneigt, mich neben die Kollegen vor Franz Ferdinand hin zu knien. Haben die das wirklich verdient? Nein, haben sie nicht. Denn ich konnte in diesem Jahr noch ein paar andere verdammt gute neue Platten kennen lernen. Da hat keiner gekniet, die wurden bestenfalls wohlwollend besprochen. Selbst Maximo Park und Bloc Party, immer gern als Ferdinand-Apologeten abgetan, sind keinesfalls schlechter als das Original, vor allem letztere nicht. Im Gegenteil. Kele Okerekes Stimme hat Eier, während Alex Kapranos doch immer ein bisschen wie der nette Nachbarsjunge klingt. Und dem Schlagzeuger von Bloc Party fällt auch mal was anderes ein, als der ewig gleiche Ferdinand-Stomp
Aber bei den netten Schotten sind wir mit jedem Song wie "Auf Achse" und laufen mit einem hübschen Mädchen durch duftige Sommerwiesen. Die Kleine studiert Wirtschaftspädagogik und hat, ganz crazy, gerade Blumen im Haar. Nimmt aber garantiert keine Drogen. Wir sind im 21. Jahrhundert. Die Zeiten, wo Sex, Drugs und Rock’n’Roll zusammengehörten sind vorbei. Dass Alex Kapranos auf Kurt-Cobain-Art ins Nirvana eingeht, müssen wir deshalb wohl kaum befürchten. Wünschen wir ihm ja auch nicht.
40 /
2005
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