Heimatgefühl

Wir bleiben unter uns

Die jungen Israelis im Restaurant benehmen sich, als würde die Welt ihnen gehören. Sind sie deshalb genauso schlimm wie die Deutschen auf Mallorca?

Die Kolumne von Selim Özdogan

Dass die bolivianische Küche kaum über die Grenzen des Landes bekannt ist, hat seine Gründe. Ein komplettes Frühstück, wie es hier heißt, sind Reis, ein Spiegelei, ein gebratenes Stück Fleisch und möglicherweise ein wenig Banane oder Zwiebeln. Mittags gibt es eine Suppe aus Fleischbrühe mit wechselnden Gemüsesorten, aber gleichbleibendem Geschmack, dazu Maniok oder Kochbanane. Und als Hauptgericht Reis mit Fleisch, gebraten oder mit Gemüse zerkocht. Abends werden die Reisreste vom Mittag in die Suppe gekippt. Oder es gibt Reis mit Fleisch.

Nicht viel Auswahl für einen Fischvegetarier, aber bevor ich verhungere oder mich wegen eines Dogma quäle, esse ich so eine Suppe und schiebe das Fleisch beiseite oder bestelle meinen Reis auch zum Mittag mit Ei statt Rind oder Huhn.

Angehmerweise gibt es in so einem touristisch geprägten Ort wie Rurrenabaque noch mehr Auswahl, aber da ich eh nicht so auf Pizza und Pasta stehe und nach Möglichkeit eben kein Fleisch esse, landen wir oft im Narguila, einem kleinen Restaurant, das von Bolivianern betrieben wird und israelische Küche anbietet: Falafel, Hommos, Ziva, Labane, Fatut und noch so einige Sachen, von denen ich bisher noch nicht mal gehört hatte und die natürlich auch auf hebräisch auf der Speisekarte stehen.

Junge Israelis machen hier einen großen Teil der Touristen aus und wenn wir im Narguila sitzen, sind wir bis auf die Bedienung nahezu immer die einzigen, die kein hebräisch sprechen.

An allen Tischen um uns herum sind junge Menschen, die nach ihrem Militärdienst endlich allen Zwängen entkommen sind und sich ein wenig so benehmen, als würde die ganze Welt ihnen gehören. Beschränkt auf dieses Lokal stimmt es ja irgendwie auch, wir sind die Fremdkörper.

Auch wenn es nicht gleich auffällt, Gäste, die den Laden betreten, grüßen uns auch schon mal mit Shalom.

Aber während wir es uns dort schmecken lassen, frage ich mich, wie weit diese Leute von deutschen Mallorcaurlaubern entfernt sind, die auch in der Fremde ihre Currywurst oder Erbsensuppe, ihr Kassler oder ihr Sauerkraut haben wollen, eine vernüftige Speisekarte auf deutsch und jeden Tag die gewohnte Zeitung.

Oder anders: Ich bin verdammt froh, daß ich kein Israeli bin, dann hätte ich nämlich Hemmungen drei Abende die Woche hier zu essen. Ich würde mich fremdschämen für meine Landsleute, die jederzeit eine gute alte Coca-cola einem frischen Fruchtsaft vorziehen und stets in Horden auftauchen.

Das Gefühl nicht dazuzugehören ist mir so vertraut, das ich mich schon richtig zu Hause fühle im Narguila.

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Nach Hause - Zuender. Das Netzmagazin

21 / 2008
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