Kolumne

Kerzenschein und Himbeerduft

Dieses Buch hat mich nicht berührt, hat mein Leben nicht verändert. Bin ich ein Ignorant?

Von Selim Özdogan

Es saßen lauter Leute zusammen, die hauptberuflich etwas mit Literatur zu tun haben und irgendwie kam das Gespräch auf Ulysses von James Joyce. Ich habe nicht zugegeben, dass ich mich bloß mal 20 Minuten damit beschäftigt habe und es dann entnervt weggelegt.

Das konnte ich nicht lesen, habe ich einfach gesagt. Und es sieht mir auch nicht nach einem Buch aus, das irgendjemand sonst mit großen Vergnügen lesen kann.

Ja, sagte einer daraufhin, das muss man auch im Original lesen. Auf deutsch entfaltet das nicht seine Wirkung.

Eine anderer meinte, man müsse das Buch laut lesen, dann würde man viel schneller einen Zugang dazu finden.

Ein dritter mit Rotweinflecken auf dem Hemd sagte, er würde es immer lesen wie Musik, nicht wie Worte.

Eine vierte, deren wilde Frisur nicht so recht zu ihrem Blick passen wollte, merkte an, es sei doch nicht schlimm, wenn man zwischendurch mal aussteige, man würde ja auch wieder reinfinden.

Der nächste wiederum, ein Mann, der früher mal Musiker gewesen war, erzählte stolz, er lese das Buch jedes Jahr ein Mal und langsam beginne er, es zu begreifen.

Der nächste wiederum, ein Mann, der früher mal Musiker gewesen war, erzählte stolz, er lese das Buch jedes Jahr ein Mal und langsam beginne er, es zu begreifen. Die mögen alle Recht haben. Aber ich habe keine Zeit für Bücher, die nur unter bestimmten Umständen zu lesen und zu genießen sind. Man mag mich für einen primitiven Gesellen halten, aber was beim Zug fahren nicht funktioniert, ist einfach nichts für mich. Weg damit.

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39 / 2006
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