POP

Mitdenkmusik

Man kann den Pet Shop Boys vieles nachsagen. Dass sie intelligente Musik machen. Dass sie intelligente Interviews geben. Dass sie sich nie mit der erstbesten Idee zufrieden geben. Dass sie Popmusik mit Anspruch machen. Dass es jenseits der tanzbaren Beats einiges zu entdecken gibt. Und neuerdings wird ihnen auch noch nachgesagt, dass sie mit „Fundamental“ eine politische Platte gemacht haben

Von Boris Fust

Neben der traditionellen „Boy meets Girl“- respektive „Boy meets Boy“-Thematik widmet sich die Popmusik, so will es scheinen, derzeit vornehmlich dem Bush- und Blair-Bashing. Ministry (oder was von den Industrial-Heronen noch übrig ist) haben auf ihrer unlängst erschienenen Schauer-Platte „Rio Grande Blood“ ausgesprochen Wunderliches zu dieser Materie geäußert, und Neil Youngs „Let’s impeach the President“ fordert zwar sachlich Richtiges, zeichnet sich aber trotzdem nicht durch Geistdurchdrungenheit aus. Die Pet Shop Boys haben bekanntlich ein unbefangenes Verhältnis zu allem, was Trend ist, und dichten Tony Blair und George W. auf „I’m with stupid“ eine homoerotische Affäre an. Merket auf, so schallt es durch den Blätterwald. Jetzt neu: Neil Tennant und Chris Lowe werden politisch! Und so geht es auf „Fundamental“ angeblich vordringlich um den Überwachungsstaat, New Labour und – erraten! – den Fundamentalismus. Ein Blick ins Booklet belehrt eines Besseren – und zwar hauptsächlich über den Einsatz von akustischem und elektronischem Schlagzeug, Orchesterdirigenten und die unbetreitbaren Vorzüge des Produzenten Trevor Horn (Frankie Goes To Hollywood). Vor allem handelt „Fundamental“ von dem Versuch, ein Minimal-Album zu machen und sich dann doch wie immer für eine heillose Überproduktion zu entscheiden. Ein hervorragendes Album also, dem man nichts Böses nachsagen kann.

Pet Shop Boys, „Fundamental“ (Parlophone / EMI)

20 / 2006
ZEIT ONLINE