Schockrock

"Reise, Reise" durch Omas Bibliothek

"Sah ein Mädchen ein Röslein stehen" – nachdem sie den Erlkönig erfolgreich geschreddert und gefleddert haben, geht Rammsteins Goethe-Verwurstung in die nächste Runde

Boris Fust

Warum nur? Warum muss es immer der olle Geheimrat aus Weimar sein? Warum nicht Hölderlin? Paul Celan? Oder wenigstens Novalis? Aber nein, aber nein, aber nein – Rammsteins "Rosenrot" ist ein Bastard aus Goetheschen "Heideröslein" und dem Grimmschen Märchen "Schneeweißchen und Rosenrot". Mehr hat Sänger Till Lindemann offenbar nicht gelesen – was für einen gelernten Korbflechter und Chiffren-Lyriker ja durchaus verzeihlich ist. Seine Texte gewinnt er wie gehabt nach dem "Schwarze Milch"-Prinzip (also doch Celan!): Eine contradictio in adiecto jagt das nächste und macht dem übernächsten Oxymoron Platz. "Dunkel war’s, der Mond schien helle", könnte Lindemann singen. Aber nein: "Warme Hände sind so kalt" (auf "Wo bist du") muss reichen, damit jeder weiß: Verkehrte Welt! Alles ganz anders! Nichts wird wie früher, keiner weiß mehr, wo es langgeht! Dazu passen gelegentliche Holzbläserpasagen, arabische Tonleitern oder eine tatsächlich brüllend komische Mariachi-Trompete ("Te quiero puta"). Nichtsdestotrotz bleibt der Rammstein-Sound wie er immer war. Allerdings haben Rammstein auf dem Weg zu ihrem fünften Album durchaus etwas gelernt: Nachdem es wegen heilloser Überkodierung der Texte die üblichen Missverständnisse gegeben hatte, suchen Rammstein nun in mehr oder minder geradlinig erzählten Geschichten ihr Heil. Politische Botschaften werden seit "Links 2 3 4" auf dem dritten Longplayer "Mutter" direkt ausgesprochen. "Mann gegen Mann", das auf "Rosenrot" dafür zuständige Stück, ist eine homoerotische Fantasie in Moll. Diesmal lautet die Message: Schwulsein ist auch irgendwie okay.

Rammstein: "Rosenrot" (Universal)

Boris Fust

Warum nur? Warum muss es immer der olle Geheimrat aus Weimar sein? Warum nicht Hölderlin? Paul Celan? Oder wenigstens Novalis? Aber nein, aber nein, aber nein – Rammsteins "Rosenrot" ist ein Bastard aus Goetheschen "Heideröslein" und dem Grimmschen Märchen "Schneeweißchen und Rosenrot". Mehr hat Sänger Till Lindemann offenbar nicht gelesen – was für einen gelernten Korbflechter und Chiffren-Lyriker ja durchaus verzeihlich ist. Seine Texte gewinnt er wie gehabt nach dem "Schwarze Milch"-Prinzip (also doch Celan!): Eine contradictio in adiecto jagt das nächste und macht dem übernächsten Oxymoron Platz. "Dunkel war’s, der Mond schien helle", könnte Lindemann singen. Aber nein: "Warme Hände sind so kalt" (auf "Wo bist du") muss reichen, damit jeder weiß: Verkehrte Welt! Alles ganz anders! Nichts wird wie früher, keiner weiß mehr, wo es langgeht! Dazu passen gelegentliche Holzbläserpasagen, arabische Tonleitern oder eine tatsächlich brüllend komische Mariachi-Trompete ("Te quiero puta"). Nichtsdestotrotz bleibt der Rammstein-Sound wie er immer war. Allerdings haben Rammstein auf dem Weg zu ihrem fünften Album durchaus etwas gelernt: Nachdem es wegen heilloser Überkodierung der Texte die üblichen Missverständnisse gegeben hatte, suchen Rammstein nun in mehr oder minder geradlinig erzählten Geschichten ihr Heil. Politische Botschaften werden seit "Links 2 3 4" auf dem dritten Longplayer "Mutter" direkt ausgesprochen. "Mann gegen Mann", das auf "Rosenrot" dafür zuständige Stück, ist eine homoerotische Fantasie in Moll. Diesmal lautet die Message: Schwulsein ist auch irgendwie okay.

Rammstein: "Rosenrot" (Universal)

41 / 2005
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