Country

Man In Black

Jonny Cash ist tot, seine Nachlassverwalter erfreuen sich unterdessen zunehmender Vitalität. Nun erscheinen mit "American V – A Hundred Highways" seine angeblich letzten Aufnahmen. Wird der "Man in Black" zum neuen Tupac Shakur?

Von Moritz Ballerstädt

Was dem King entgegen anderslautender Berichte nicht vergönnt war, gelingt Johnny Cash spielend. Keine drei Jahre unter der Erde, kehrt Johnny Cash schon jetzt ins Wohnzimmer zurück. Außergewöhnliche Funde will man gemacht haben. Und wie das halt immer so ist mit außergewöhnlichen Funden: Das Hildebrandslied – einer der frühesten Nachweise poetischer deutscher Sprache – wurde durch einen Mönch als Verstärkung in einen Buchband geklebt. "Free as a Bird" der Beatles lag unter alten Geschäftspapieren, und Tupac Shakur muss wohl noch geschätzte dreitausendfünfhunderteinundsechzig Platten für den Musikmarkt hinterlassen haben. Das Grandiose an diesen Menschen ist, dass sie offenbar nie oder zumindest selten Unbrauchbares geschrieben haben. Ihre Karriere immerhin triumphiert über den Tod. Der letzte Atemzug ist getan, aber noch längst ist nicht alles gesagt, der letzte große Coup noch längst nicht gelandet. Und so setzt sich Cash noch einmal neben einen und erzählt seine Geschichte. Melancholisch und mit zitternder Stimme klagt er noch einmal über verpasste Chancen und Enttäuschungen, aber auch große Momente. Cash ist einer dieser Menschen, denen man jedes Wort glaubt, da können die Flächen aus den Tasteninstrumenten noch so pathetisch schwellen. Und nach dem Schlussakkord (keine Sorge – es wird nicht der letzte bleiben!) geht man automatisch noch einmal an den Kleiderschrank, sucht sich den schwarzen Anzug raus und geht noch aus, einen auf Johnny Cash trinken.

Johnny Cash, "American V – A Hundred Highways" (Mercury / Universal)

Johnny Cash, "American V – A Hundred Highways" (Mercury / Universal)

27 / 2006
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