SCHWULSTSOUL

Hausfrauenschnulzen

Ein weißer, schlaksiger Engländer, der versucht so zu singen wie Otis Reading? Das kann doch nur schiefgehen, denkt man. Entsprechend skeptisch legt man "Undiscovered" von James Morrison in den CD-Player

Von Julia Gudzent

James Morrissons Lebensgeschichte erinnert an den Film "The Commitments". Darin versucht eine Gruppe von Dubliner Taugenichtsen eine Soulband auf die Beine zu stellen – erfolgreich. Auch Morrisson war in seinem Leben nicht gerade vom Glück geschlagen: Vater alkoholkrank, bester Freund heroinabhängig, Freundin weg. Anstatt in Selbstmitleid zu versinken, kotzte sich Morrison auf Band aus.

Dabei entstand das Debütalbum "Undiscovered", und sein Leben änderte sich schlagartig, schnell bekam er einen Majorlabel-Deal. Nicht nur seine Biografie weist Parallelen zu dem Musikfilm aus dem Jahr 1991 auf, auch musikalisch orientiert sich Morrisson an The Commitments. Extrem soul- und blueslastig kommen seine Popsongs daher. Besonderes Merkmal: die außergewöhnliche Stimme des schmächtigen Weißbrots, die tatsächlich an all die schwarzen Jazzgrößen wie Otis Reading, Marvin Gaye oder Stevie Wonder erinnert.

Mit seiner herzzerreißenden Bauchstimme und den persönlichen Texten über sein von Katastrophen gesäumtes Leben wird Morrison schon bald den derzeit angesagten Schnulzen-Barden wie David Gray, Jack Johnson und James Blunt große Konkurrenz machen. Und Einzug halten in die Stereoanlagen der Hausfrauen dieser Welt.

James Morrisson, "Undiscovered" (Universal)

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41 / 2006
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