Pop

Vollkommen anders

Lange nichts mehr von den Charlatans gehört, denkt man sich so manches Mal, wenn einem wirklich kein interessanterer Gedanke einfällt. Das stimmt zwar, und ist dann doch wieder falsch. Denn die Charlatans veröffentlichen tatsächlich noch Platten

von Julia Gudzent

Vor zwei Jahren erschien mit "Up in the Sea" ihr letztes Album. Doch seitdem Britpop den Zenit Mitte der Neunziger überschritten hat, erfreuen sich die Veröffentlichungen der Charlatans keiner besonderen Beachtung mehr. Als wäre das noch nicht schockierend genug, hat sich der Sound der Charlatans nicht wenig verändert. Auch wenn man beim Opener "Blackened blue Eyes" noch ein Indiepop-Album à la "Tellin’ Stories" erwartet, wird man im weiteren Verlauf der CD enttäuscht. Inzwischen haben sie sich ganz stark in eine andere Richtung entwickelt, den Britpop hört man nur noch ansatzweise im Gitarrenspiel und den für die Band typischen Keyboards heraus. Stattdessen wurden Ska- ("City of the Dead") und Reggae-Parts ("For your Entertainment") in die Songs eingearbeitet, und auch die Hinterhofatmosphäre auf dem Bandfoto im Inneren der CD gemahnt eher an das Fotoshooting einer 80ern-Jahre-Hairmetal-Band als an Britpopper mit Topfhaarschnitt aus den 90ern (ihre Frisuren hingegen erinnern eher an Hippies aus den 70ern). Komisch, was mit einer Band so alles passieren kann, wenn man sie ungefähr zehn Jahre lang nicht im Auge behält. Schade, dass sich eine großartige Band soweit von ihrem ursprünglichen Entwurf entfernen konnte.

The Charlatans, "Simpatico" (Creole / Sanctuary)

04 / 2006
ZEIT ONLINE