Punkrock

Knietief in den Fehlfarben

Eineinhalb Jahre nach dem 25-jährigen Gründungsjubiläum interpretieren die Fehlfarben ihr eigenes Werk neu. Der notorisch schlechtgelaunte Sänger Peter Hein wurde für dieses Unterfangen meistenteils beurlaubt und durch wechselnde Prominenz am Mikro ersetzt. Weil die Fehlfarben aus Düsseldorf kommen, ist leider auch Campino unter den Gastsängern

Boris Fust

Es hätte ein Sammelsurium des Schreckens werden können. Der Werkkörper der Fehlfarben, die einmal pro Dekade anlässlich einer neuen Platte wiederauferstehen, ist alles andere als makellos und riecht an manches Stellen auch schon komisch. Und eine Platte, auf der abwechselnd Françoise Cactus, Herbert Grönemeyer, Dirk von Lowtzow, Jochen Distelmeyer und Helge Schneider singen, muss nicht zwangläufig eine Zier für einen jeden Plattenschrank sein. Doch "26 _" ist nur für vier Minuten und sieben Sekunden eine Qual, in denen Campino ausgerechnet "Paul ist tot", das wohl wichtigste Fehlfarben-Stück, zerbölkt. Die anderen 17 Stücke sind außerordentlich gut gelungen: Schon "Alkoholen" ist der reinste Genuss, ist doch darauf der ansonsten als Schwerintensiver bekannte Jochen Distelmeyer als Saufbarde zu erleben, was nun wirklich eine Art hat. Während Gudrun Gut auf "Sonntag Morgen" die Freuden der Wochenendemelancholie behaucht oder der stets unterschätzte Bernd Begemann "Die Kleine Geldwäscherei" benölt, musizieren die Fehlfarben kompakt und solide vor sich hin. Die größte Überraschung ist aber der Fehlfarben-Klassiker "Grauschleier", der ausgerechnet Herbert Grönemeyer ausgezeichnet zu Gesicht steht. Dessen Ruhrgebietsherkunft ermächtigt ihn, die bundesrepublikanische Tristesse am Ende der Regierungszeit von Helmut Schmidt auch heute noch erlebbar zu machen. Und es stimmt, was in "Grauschleier" aus seinem Munde behauptet wird: "Die Musik aus der Küche ist doch schon ziemlich zerkratzt. Ich habe geweint bei jedem zweiten Satz."

04 / 2006
ZEIT ONLINE