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Kleidungsfrage

Alles geht

Lässt sich am Umstand, dass man Krawatten trägt, ablesen, dass man eine gewisse Reife erlangt hat? Eigentlich nicht, findet Markus Kavka.

Neulich war ich mal wieder bei meinen Eltern. Im Gepäck: fünf ungebundene Krawatten. Ich habe Krawatten gerade für mich entdeckt – weniger als Komplettierung eines Anzugoutfits als einfach so, zu einem kurzärmligen Hemd oder Poloshirt. Mein Problem: Ich kann keine Krawatten binden. Einen schlichten Knoten bekomme ich noch mit Mühe und Not hin, aber beim chefmäßigen doppelten Windsorknoten versage ich. Ich habe mir bebilderte Anleitungen einverleibt, vorm Spiegel geübt, aber er mag mir einfach nicht gelingen. Zu kurz, zu lang, zu schief, zu scheiße – ich habe es aufgegeben. Deshalb lasse ich das meinen Papa machen, der kann das. Die fünf neugebundenen Exemplare in den Farben schwarz, schwarz, schwarz, grau und grau sollten erst mal genügen, beim nächsten Elternbesuch bringe ich dann wieder neue mit.

Bis vor einem Jahr besaß ich genau eine einzige Krawatte. Mein Vater hatte sie mir vor etwa zehn Jahren vermacht, er trug sie selbst in den Sechzigern, sie ist also schön schmal. Natürlich überreichte er sie mir bereits gebunden, und jedes Mal, wenn ich sie trug, achtete ich darauf, den Knoten möglichst behutsam auf- und zuzuschieben, damit er auch ja nicht aufging. Ein Mädchen, das unsere Begegnung offenbar um eine heiße, James-Bond-artige Komponente bereichern wollte, riss mir das Ding mal einfach so vom Hals. Na, die bekam aber was zu hören!

Lässt sich an dem Umstand, dass man Krawatten trägt, eigentlich ablesen, dass man eine gewisse Reife erlangt hat? Eigentlich nicht, oder? Bill von Tokio Hotel trägt auch eine, der sieht ansonsten aber ganz anders aus als ich. Ich blicke mal an mir herunter. Ich habe ein hellblaues Kurzarmhemd an, eine Jeans und weiße Basketball-Schuhe, also Sachen, die so unspektakulär sind, dass ich sie in fünf Jahren auch noch tragen könnte. Ohnehin geht die Tendenz in punkto Klamotten bei mir zunehmend in Richtung schlicht. Drei Viertel meines Kleiderschranks sind in den Farben schwarz, grau und blau gehalten, nur vereinzelt schleicht sich ein weißes, grünes, rotes oder braunes Teil dazwischen. Auch Streifen oder Muster muss man lange suchen, ich habe mir vor ein paar Wochen mein erstes kariertes Hemd seit 1993 gekauft. Ich besitze genau zwei T-Shirts mit Aufdrucken, alle anderen sind uni, auch Logos entdeckt man, von ein paar Krokodilen abgesehen, keine.

Wenn ich in Fragen der Kleiderordnung nicht so sprunghaft wäre, würde ich sagen, dass ich meinen Stil gefunden habe. Dezente Farben, klassische Schnitte, nichts Auffälliges und vor allem: Sitzen muss das Zeug.

In der Vergangenheit war es eher mein Ansinnen, durch meine Klamotten aufzufallen oder zumindest eine gewisse Attitüde zu vermitteln. Das ging schon relativ früh los, so etwa mit 13 Jahren. Da schrieb man das Jahr 1980, im Fernsehen und in Magazinen bekam man vereinzelt Leute zu Gesicht, die anders aussahen als die Schulkameraden. Das inspirierte mich sehr. Leider war der nächste Laden, in dem man solche Sachen bekommen konnte, von meinem damaligen Wohnort auf dem Land in Bayern gefühlte 1000 Kilometer entfernt. Also musste man versuchen, sich aus dem Mainstream-Jeans-Boutiquen Zeug zusammen zu kaufen, das, wenn es entsprechend abgeändert und kombiniert wurde, halbwegs taugte, um damit aufzufallen. Wenn man dann die Frisur noch entsprechend anglich, ging man optisch mit viel Wohlwollen als Großstädter durch. Auch ausrangierte Kleidungsstücke von Papa und Opa konnten den Drang nach mehr Individualität unterfüttern. Enge Hemden, Anzüge und Rollkragenpullover, dazu spitze Schuhe aus den 50ern und 60ern oder Bundeswehrstiefel, das Ganze in gedeckten Farben – damit kam man dem Look der Herrschaften von Bands wie Ultravox , Heaven 17 oder OMD schon sehr nahe.

Ab etwa 1983 sollten die Zustände dann schlagartig nahezu paradiesisch werden. In München gab es endlich einen Laden, der den coolen Fummel verkaufte, den man sonst nur in London bekam. Zusätzlich gab es einige Mailorder-Anbieter, die alles hatten, was das Gruftie-Herz begehrte. Mindestens einmal pro Monat brachte der Postbote ein Paket, dessen Inhalt mich in schiere Verzückung geraten ließ: Schnallenschuhe, Bondage-Hosen, lange schwarze Mäntel, Totenkopf-Ohrringe, Nietengürtel, T-Shirts von The Cure, Joy Division oder Bauhaus, weiße Theaterschminke, Kajalstifte und 1000 andere schwarze Sachen, die mich zu einem Gothic von Welt machten.

Gut fünf Jahre lang frönte ich diesem Stil, durch Bands wie Fields Of Nephilim oder Wall Of Voodoo erfuhr das Ganze dann Ende der 80er eine kleine Veränderung in Richtung Spaghetti-Western-Look. Die Schnallenschuhe wurden ersetzt durch Cowboystiefel, die Haare standen jetzt nicht mehr nach oben, sondern hingen ins Gesicht, die Schminke wurde weggelassen, schwarz als einzig mögliche Farbe blieb hingegen. Darauf sah man auch Staub am besten. Das hatte ich mir nämlich bei Fields Of The Nephilim abgeguckt, weswegen ich stets, bevor ich in die Disco ging, einmal ausgiebig durch eine Straßenbaustelle hirschte.

Der Cowboylook ging dann in die Neo-Psychedelic-Phase über: eine erstaunliche Wende von komplett schwarz zu komplett bunt. Grell gemusterte 70er-Jahre-Hemden, dazu Schlaghosen und Chelsea-Boots sowie zusehends längere (jedoch immer noch blauschwarz gefärbte) Haare rückten mich fast in die Nähe von Hippies. Besonders stolz war ich auf eine Jacke, die so aussah wie jene, die die Beatles zu "Sergeant Pepper"-Zeiten trugen. Meine Brust zierte eine schwere, großgliedrige, silberne Kette, im Freundeskreis wurde diese Kombi zärtlich als "Kasperljack'n mit Bürgermeisterkett'n" tituliert.

Danach kam Grunge, also karierte Flanellhemden, mottenzerfressene Wollpullis, Armyboots und Levis 501. Ich kaufte fast alles second hand, und weil die Jeans bisweilen schon recht mitgenommen waren, erwarb sich meine Oma, eine gelernte Schneiderin, eine gewisse Expertise darin, die zerfetzten Teile wieder einigermaßen ganz und damit tragbar zu machen. Sie ersetzte die maroden, löchrigen Teile durch heile Flecken und kreierte damit unfreiwillig eine eigentümliche Patchwork-Jeans, die in Szenekreisen so gut ankam, dass sogar Leute aus der großen Stadt bei meiner Oma ihre 501 tunen ließen. Ihre Küche, in der auch die Nähmaschine stand, glich zeitweise einer Jeansfabrik.

Weiterlesen im 2. Teil »


 
 



 

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