Kurzgeschichte

Die Mönchsmaschine

Ganz so wie er es sich vorgestellt hatte war das Gerät nicht. Doch in der Wohnung aufgestellt, begann die Maschine zu schnorren wie ein bequemes Kätzchen.

Von Ronit Wolf

Es war ein Tag, an dem es regnete, als er die Mönchsmaschine fand. Er erkannte sie sofort, blank poliert, an den Spitzen eng zulaufend mit einer Oberfläche, die bearbeitetem Granit nicht unähnlich war.

Zur Versicherung hebelte er sie an, und da stand in einer winzigen Punktgröße, vielleicht zwei bis drei Zentimeter unter dem linken Rand graviert: Mönchsmaschine, die.

Volltreffer! Sie im Regen zu finden und auch noch an einem Ort, an dem keiner suchen würde, stimmte ihn in heitere Gelassenheit. Tatsächlich kannte niemand die Maschine, womit vor weiteren Suchenden keine Gefahr bestand. Anhaltende Nässe machte das Ding rutschig und er entschied, die Maschine mit einer Schubkarre nach Hause zu manövrieren.

Ganz so wie er es sich vorgestellt hatte war das Gerät nicht. Nicht zu laut, und auch nicht zu klein. Doch gerade nass genug, um zu singen. In der Wohnung aufgestellt, begann die Maschine zu schnorren wie ein bequemes Kätzchen. Timbre tropfte ihm ins Ohr. Zirkumpolarsterne kreisten an der Decke, als weiche Gesänge seine chronische Migräne beschwipsten. In diesem Moment war alles träge; er und das Ding…

Verwegen riss sich ein Abreißkalender von der Wand, und fiel entblättert vor ihm zu Boden. Ein Hauch von Sünde tat ihm gut.

Vage Wünsche… dachte er, kann er zweifelsfrei angeben; aber was ist, wenn die Mönchsmaschine ihn benutzt?

Tage darauf schaufelte er karrenweise Erde in die Stube. Die Haufen wuchsen höher und höher um die Mönchsmaschine, bis sie schließlich als irdenes Podest imponierten. Ein Rasen sollte es werden –um das Ding, versteht sich – ein frischer, englischer Rasen ohne Unebenheiten oder Löcher, einzig: grün.

Bis zum folgenden Morgen mussten die Samen wurzeln, und tatsächlich ließ sich schon am nächsten Tag die erwartete Farbe besprenkeln. Schön sollte es die Maschine doch haben, dachte er. Die Maschine hingegen bestach durch Reaktionslosigkeit.

So vergingen Tage, Zeit verschwendete sich und Licht änderte Schatten. Er polierte die Maschine, trank Bier, zündelte an einer Karbidlampe, versöhnte sich mit sich selbst und wartete. Ein Warten auf seine Erwartung.

Die Rauschanteile im Zimmer hielten seiner Langeweile stand, jedes Knacken war was. Plötzlich gurgelte es, die Mönchsmaschine knisterte, sie pumpte und verschwendete sich. Sichtbar einzig für wenige Sekunden. Er wurde wahnsinnig, das war mehr als er erwartet hatte! Für kurze Zeit verschwand sie sogar! Dankbar und begeistert durchlebte er höchstes Glücksempfinden. Eine Mixtur aus tiefer Melancholie oder anarchischer Liebe; da war er sich nicht sicher. Schließlich liebte er alles.

Geschliffene Termiten stöberten durch den Raum. Eine Brise Rot schaffte Wärme mit Duft von Musik. Langsam waren die Töne warm geworden; und kreisten in karamellfarbenen Orbitern Richtung Decke, bis sie irgendwann schweißnass herunter klatschten. Ihm fiel nichts Besseres ein, als dabei Popcorn zu futtern. Die Maschine schnorchelte, bis sie bald darauf einen formidablen Ton ausstieß: halb lähmend und halbseiden. Danach war Schluss; und dies für lange Zeit.

Bald blieb nur die Nacktheit der Situation. Weder wusste er, was ihm passiert war, noch ob es wieder passieren würde. Das Warten verteufelte er fortan. Auch weil es keinen Fortschritt darstellte. Er kam sich blöde vor; und die Blödheit glotze ihn von allen Seiten an, bummelte um ihn herum und blieb schonungslos.

Es dauerte eine Weile, bis er schließlich merkte, dass es in der Wohnung regnete. Bald darauf platzte ein Schauer aus allen Ecken. So schob er die Mönchsmaschine nach draußen, denn dort war es trocken. Zumindest für die Zeit, während es in der Stube regnete. Für seinen Geschmack ein sehr nasser Regen. Immer wenn er versuchte die Maschine ins Haus zurückzuschieben, begann es dort wieder zu schütten. So übernachteten beide schließlich im Freien.

Gehorsam ist der Pfad der Tugend‘ , dachte er sich. Ein Witz? Eine Probe? oder die erste Chance für seine neuen, grünen Gartengummistiefel. Viel hatte er ja nicht gelernt, von der Mönchsmaschine. Im Gegenteil, wusste er nicht, welch gestörte Disziplin er da übte.

Später am Tag, freute er sich wieder, denn da entdeckte er: Eine jungfräuliche Seite der Maschine. In der Tat, die einzige Seite, auf die er die Maschine noch nicht gedreht hatte; dort wackelte ein Scharnier. Bei näherer Betrachtung stellt er fest: Kein Scharnier, eine Schublade. Wieder war seine Vorstellungskraft geweckt. Restalkohol verabschiedete sich aus seinen Schläfen. Geheimnisvoll pfiff er auf.

Die Schublade klemmte; so rappelte er gegen die Maschine bis die Schatulle aufflog. Der Inhalt präsentierte sich übervoll von weißem Konfetti. Kein handelsübliches, buntes Spaß-Konfetti, sondern bloß weiße Pünktchen. Hunderte von ihnen bedeckten nun seine Jacke – er hatte einen guten Zug.

Sie produziert also ‚unkomisches Konfetti‘, nicht eben eine Marktlücke …fasste er zusammen. Trotzdem fand er das Produkt überraschend. Aber naja, sie ist ja auch eine Maschine; irgendetwas muss sie schließlich produzieren…bemerkte er.

Die vielen weißen Punkte könnten die Lösung sein. Es galt die richtige Anwendung zu finden. Das Konfetti als Existenzzweck der Maschine zu betrachten schien ihm menschlich nachvollziehbar. Er grübelte Stunden über dem weißen Zeug, klebte unzählige Kaugummi-Knubbel an die Wand und rauchte Selbstgedrehte. Bis er schließlich einschlief dauerte es zwei Tage. Danach war er auch nicht schlauer. Vielleicht war die Schatulle nichts anderes als eine Mogelpackung? Stichwort: Packung! Da hatte er doch etwas! Es kam ihm der Spar-Pack Glückskekse wieder in den Sinn. Dies musste ihr Moment werden:

Er brach einen Glückskeks! Ja, das sollte es sein. Nach den Asia-Wochen hatte er eine Vorrats- Packung im Supermarkt günstiger erworben. Die einzige Möglichkeit im Paket an Glück zu gelangen… Während er darüber nachdachte, suchte er den Zettel im Keks. Es fand sich keiner, was ihn traurig stimmte. Noch eine Mogelpackung: Nur Keks – ohne Glück. Vielleicht war der Pack deshalb so billig, befand er.

Schnell knackte er alle weiteren Glückskekse, und wie erwartet, fand er allesamt leer vor. Ihm kam die Idee, das weiße Konfetti in die Kekse zu füllen, sie mit Kleber wieder zusammenzusetzen, und in den Supermarkt zurück zu schleppen. Da ihm nichts Vernünftigeres für den Abend einfiel, verwendete er tatsächlich den restlichen Tag zum ‚Eintüten‘ des Konfettis in defekte Glückskekse.

Weiterhin ließ er die Augen kaum von der Maschine. Außer, dass sie ihn wahnsinnig machte, zeigte sich keinerlei Reaktion oder etwas, das: ‚erkennbarer Fortschritt‘ genannt werden könnte. Und trotz dass er seine Aktion als einschlägigen Verwendungszweck des Konfettis interpretierte, sah die Maschine es offenbar anders.

Was konnte er geben? Letztlich besaß er wenig. Sich selbst eingenommen. Doch sie war die Mönchsmaschine. Also warf er sich in seine alte Gala-Uniform und exerzierte: Vielleicht gebot sie ihm jetzt stillzustehen: hinsetzen – stillstehen –hinlegen – setzen – auf und nieder – ab und auf – hin und her - still und laut - auf und ab etc.

Seine Idee also: Er wirft sich in Uniform, und glänzt vor der Mönchsmaschine. Er machte lieber noch zehn Kniebeugen, zwanzig oder dreißig Liegestützen oder hundert wenn es sein muss. Wie früher bei Mama... Und er hörte ihre Stimme im Ohr: "…Schwing dich mein Putzerl! Und dass de an dein Sport denkst!..."

Und wie er dachte, und wie er schwitzte! Stundenlang verausgabte er sich; ohne zu essen oder zu trinken, nicht einmal die Selbstgedrehte war erlaubt.

Er wollte in die nächste Instanz gehen, oder das Ding zerstören. Es zu zerstören, wäre die letzte legitime Erforschung der Mönchsmaschine.

Am Morgen nach dem Sturm verschaffte sich ein Förster einen groben Überblick der Unwetter-Schäden. Wie gewöhnlich schritt er seinen persönlichen Pirschweg ab, als er nahe einer abgelegenen Waldhütte einen Mann entdeckte. Durch den Sturm waren viele der jungen Kirschbäume umgeknickt worden und die weißen Blüten bedeckten verschwenderisch den Waldboden. Auch vor dem am Boden liegenden Mann hatten sie nicht halt gemacht. Zu Tausenden bedeckten die Blütenfetzen seine Gestalt, und er wirkte als würde er schlafen.

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51 / 2008
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