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Hochzeitsbild

Die Frau liegt auf dem Sofa, betrachtet das Foto. Sie wirkt wie eine Orchidee auf seinem Arm.

Wenn der Regen fällt, liegt sie auf ihrem weißen Sofa, auf das sie eine Decke geworfen hat. Sie blickt nicht auf die Fensterwand, die in den Garten führt. Es ist Frühlingsanfang, der Rhododendron wiegt sich im Wetter hin und her, die Magnolie ist noch kahl. An der Ecke, wo der Kamin steht, stehen einige Tischblumensträuße draußen.

Sie hat die Zeitung über sich geworfen und döst in den Nachmittag hinein. Vielleicht geht sie später noch zum Sport. Sie war noch unentschieden. Der Kopf liegt unsanft auf. Hinter ihr ragen säulenartig zwei Lautsprecher auf. Es laufen die Brandenburgischen Konzerte.

Auf dem Glastisch neben dem Sofa lagern Prospekte von Kaufhäusern, Bestell- und Schmuckkataloge. Manchmal steht eine Kaffeetasse da und zum Fuß des Tisches, der aus geschwungenem Metall ist, eine Flasche Staatlich Fachingen. Später am Abend wird es ein Weinglas mit Henkel sein. Hinter dem Tisch steht zur Dekoration ein weiteres weißes Sofa, das eine Rückenlehne ziert, doch es wird nie benutzt. Man nimmt auf einem der beiden Drehstühle Platz unter der Stehlampe bei den säulenartigen Lautsprechern und liest die abgelegte Zeitung. Bis auf die Musik ist es still. Man hört den Regen nicht fallen.

Sie wendet sich nicht. Sie bewegt sich nur tiefer in das Sofa hinein, als müsste sie sich vor der Welt verstecken. Sie blickt in sich hinein. Der Garten, hinter dessen Büschen die beiden Nachbarhäuser liegen, bleibt ausgeklammert.

Über dem weißen Sofa, das zu Dekorationszwecken und aus symmetrischen Gründen Platz einnimmt, hängen zwei Regale aus Glas, in dem ein paar Bücher von der Geschichte Preußens künden und dem Leben Ben Gurions. Eine schwere teure Uhr, die niemals aufgezogen werden muss, pendelt sich darunter aus. Sie ist umgeben von silbernen Rahmen, in denen Fotografien stecken. Bilder der Kinder, ein vergilbtes Trauungsfoto aus den sechziger Jahren, das sie mit hochtoupierten Haaren zeigt. Das Kleid ist weiß, teuer und schlicht. Blumen umgeben sie. Sie wirkt klein, in sich zusammengesunken, obwohl sie aufrecht da steht, den langen, weißen Hals reckt. Sie hat sich eingehakt, doch sie weiß nicht so recht, wohin mit ihren Händen. Sie wirkt ein wenig unentschlossen, man kann nicht sagen, ob eine Anspannung von ihr abfällt. Sie hat den Kopf gedreht, halb ihrem Bräutigam zugewandt, es ist, als würde sie lauschen, doch kein Laut ist zu hören. Es ist still auf dem Bild, als wären sie vollkommen allein. Sie sieht ihren Bräutigam nicht an, sie lächelt unsicher. Sie sieht nicht in die Kamera des Fotografen. Sie blickt in sich hinein.

Der Bräutigam triumphiert. Er hat ein rundes, glatt rasiertes Gesicht, die Haare sind kurz geschnitten und trotz seiner Jugend licht. Er trägt eine Hornbrille. Über dem weißen Hemd trägt er stolz das Band seiner Corpsbruderschaft schräg zur Schau. Es prägt sich dem Betrachter mehr ein als der Anzug.

Er blickt direkt in die Kamera. Er ist sieben Jahre älter als sie. Sie wirkt wie eine Orchidee in seinem Arm. Er trotzt dem Leben. So ist es gut. Seht her. So ist es gut. Sie wird ihm folgen. Sie wird sich einrichten.

Auf dem Sofa sackt sie in sich zusammen, das Kinn gesenkt, die Arme vor der Brust gefaltet, die Beine auf die Kissen geworfen, übereinander verschränkt. Er sitzt in seinem Büro, die Stadt in dem Fenster hinter sich, blättert in seinen Akten, lässt sich Anrufe durchstellen, das Sakko über den Sessel geworfen, eine Zeitung in seiner Aktentasche, den Fuß mit dem Thrombosestrumpf unter dem Tisch lang ausgestreckt. Er bleibt bis sechs, holt seinen Wagen aus der Tiefgarage, drückt seinen Budapester aufs Gas, fährt in die Garage, schließt die Tür auf, setzt sich in seinen blauen Sessel, liest eine weitere Tageszeitung, isst zu Abend, schenkt sich ein Bier und einen Schnaps ein und sieht die Abendnachrichten. Manchmal wurmt ihn eine Akte, die er vergessen hat.

Sie bleibt auf dem Sofa liegen. Sie blickt nicht auf die Fotografien. Sie trägt ihre Haare nun kurz.

Manchmal quält sie ein Zipperlein.
Sie schenkt sich Wein ein. Sie isst wenig.
Der Regen hat schon lange aufgehört.

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