Müßiggang

Flanieren und Tee trinken

Kündigt eure Jobs, seid faul und werdet glücklich. Das ist die Botschaft des britischen Autors Tom Hodgkinson und mit ihr ist er überaus erfolgreich. Wir sprachen mit ihm über die Kunst des Müßiggangs.

Fragen von Carolin Ströbele und Chris Köver

Wie sieht der ideale Tag eines Müßiggängers aus?

Morgens arbeite ich drei, vier Stunden. Ich lese und schreibe Artikel oder arbeite an meinen Büchern. Dann isst die ganze Familie zusammen zu Mittag. Der Nachmittag ist reserviert für Schlafen und Gartenarbeit, der Abend für Freunde und fürs Trinken.

Was ist denn der Unterschied zwischen Müßiggang und Faulheit?

Ich will die Menschen nicht von der Arbeit abhalten. Mir geht es darum, Arbeit zu etwas werden zu lassen, das mir Freude macht. Als ich aufhörte, meine Faulheit zurückzudrängen, fiel es mir auf einmal ganz leicht zu arbeiten. Seitdem mag ich keine Urlaube mehr. Du brauchst keinen Urlaub, wenn Du vor nichts mehr fliehen musst.

Wenn Sie nicht grundsätzlich gegen das Arbeiten sind - was haben Sie dann gegen den klassischen "9-to-5"-Job?

Solche Jobs sind entweder langweilig oder demütigend oder stressig. Du verlierst deine Würde und fühlst dich wie ein Sklave. Deine Kollegen sind Idioten, dein Chef ist ein Idiot, du entwickelst Rache-Fantasien...
Ein "9-to-5"-Job tötet jede Kreativität. Wenn du abends aus dem Büro kommst, bist du müde und hast keine Energie mehr. Du willst nur noch trinken oder fernsehen. Du wirst ein Zombie, völlig verbittert. So war es bei mir.

Was würden Sie jemandem raten, der mit seinem Job unzufrieden ist?

Den Mut zu finden zu kündigen.

Und wovon soll er dann seine Miete bezahlen?

Die meisten Leute enden nicht hungrig und obdachlos. Das passiert meist nur, wenn noch andere Probleme dazukommen – Alkohol oder Drogen. Normalerweise haben Menschen Freunde, Familie, Menschen, die sich um sie kümmern.

Wie haben Sie sich denn Ihren Müßiggang finanziert?

Nachdem ich meinen festen Job verloren hatte, habe ich erst als freier Journalist gearbeitet. Meine Freundin hatte damals einen Job – das hat geholfen (lacht). Ich musste lange dafür arbeiten, so leben zu können wie heute.

Es sind ja nicht nur unsere Chefs, die uns zur Arbeit treiben, sondern auch unser schlechtes Gewissen. Was kann man dagegen tun?

Schuld hängt zusammen mit dem Gefühl, etwas zu schulden. Man denkt, man müsse etwas zurückzahlen, weil man nicht genug gegeben hat. Im Mittelalter gab es so genannte Strafzölle, mit denen man sich von seiner Schuld freikaufen konnte. Das Schuldgefühl, wie wir es kennen, kam mit den Puritanern, die das Vergnügen mit Schuld verbanden. Wenn man erkannt hat, dass die Schuld etwas Anerzogenes ist, kann man sich leichter davon freimachen.

Wollen Menschen wirklich weniger arbeiten? Für viele ist der geregelte Job doch ein wichtiger Teil ihres Selbstwertgefühls.

Lebenslange Jobgarantie war eine temporäre Geschichte. Das liegt in der Natur des Kapitalismus. Dinge verändern sich, Firmen wachsen, werden geschluckt von anderen. Die Leute jammern, dass schon wieder Tausend Arbeitsplätze abgebaut werden. Ich freue mich darüber, weil es bedeutet, dass Tausend Menschen aus der Fabrik rauskommen und frei sind. Diese Leute werden andere Dinge finden, die sie tun können.

Ein 50-jähriger Fabrikarbeiter, der gefeuert worden ist, sieht das sicher anders.

Ich denke, es ist eine Frage der Geisteshaltung. Viele Leute haben sich darauf verlassen, nur auf eine bestimmte Art ihr Einkommen zu verdienen. Der Job ist für sie wie eine Mami, die auf sie aufpasst und die sie nicht verlieren wollen. Man kann aber andere Sachen probieren, Klempner oder Maler werden.

Hat sich etwas für Sie geändert, seit Sie Kinder haben? Viele Leute haben dann erst Recht das Gefühl, einen sicheren Job haben zu müssen.

Als wir noch in London gelebt haben, bin ich um zehn Uhr aus dem Haus gegangen und um sieben Uhr abends wiedergekommen. Meine Freundin war den ganzen Tag alleine mit drei kleinen Kindern. Ein Alptraum. Das war der Grund, warum wir aufs Land gezogen sind. Nach dem Mittagessen kann ich mich jetzt um die Kinder kümmern. Das ist viel besser als abends nach Hause zu kommen, noch im Anzug das Baby in den Arm gedrückt zu bekommen um es dann sofort ins Bett bringen zu müssen.

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35 / 2007
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