HIPHOP
"Keiner soll sagen, er hätte keine Wahl"
Aus Neukölln kommen ist keine Ausrede. Der Rapper Kool Savas ärgert sich über Kleinkriminelle, die ihre Herkunft als Feigenblatt benutzen.
Fragen von Antonia Baum
Im Vergleich zu früher klingen deine Songs glatter. Bist du jetzt Popmusiker?
Ich renne diesem Independent-Ding nicht mehr hinterher. Als Künstler ist mir nur wichtig, dass mir niemand reinredet und dass ich zu dem, was ich mache, stehen kann. Ich höre selbst gern Popmusik. Man hört, dass da mehr Geld und damit auch mehr Qualität drin steckt. Letztlich ist Musik auch nur ein Handwerk. Sie entsteht zwar aus meiner Kreativität, hat aber auch viel mit Übung zu tun. Ich habe rappen gelernt, das ist nicht so intuitiv-geil aus mir raus geflossen, weil ich krasse Eingebungen hatte. Aber Künstler, die gerne Künstler sein wollen, möchten eben etwas besonderes sein. Deswegen müssen sie dann zehn Jahre darüber reden. (lacht) Da scheiße ich drauf. Björk zum Beispiel ist einfach, wie sie ist: Völlig abgedreht und Avantgarde, aber sie tut nicht so als ob. Ich verstehe auch nicht, was die meint, aber ich nehme es einfach an.
Du machst so einen ruhigen und bescheidenen Eindruck. Das passt überhaupt nicht zu diesen riesigen Autos in deinen Videos.
Die gehören dazu. Ich nehme das Gepose nicht ernst, schließe mich davon aber auch nicht aus. Ich habe selbst zwei dicke Autos. Wenn ich mit Jogginghose und Mütze durch die Gegend fahre und mir schauen alle hinterher, freut mich das. Ich habe nie studiert. So zeige ich den feinen Leuten den Finger und denke: Seht mal, ich musste noch nicht mal kriminell werden, sondern habe das alles durch meine Kreativität erreicht und dabei noch Spaß gehabt. Vor längerer Zeit war ich mal in einem Club, in dem nur Kinder reicher Eltern mit Poloshirts rumliefen. Obwohl ich eigentlich nicht anders als sie war, war ich in diesem Umfeld Außenseiter. Meine Mütze saß ein bisschen schief, das war alles. Trotzdem sind sie zu mir gekommen und wollten Fotos. Wäre ich nicht Kool Savas gewesen, hätten die gesagt: "Was will dieser Asylant hier?"
Bist du das öfter gefragt worden?
Nicht ständig, aber es passiert. Auch meinen Freunden.
Regst du dich darüber noch auf?
Wenn ich sehe, dass Ausländer Probleme haben einen Job zu finden, regt mich das auf. Aber das ist nur eine Seite. Mich regen auch Leute auf, die in Deutschland leben und so tun, als hätten sie keine Perspektive. Leute, die sagen: "Ich deale Drogen und kümmere mich jetzt um Nutten, weil ich keine andere Wahl habe". Ich bin gegen Intoleranz, egal, wen sie trifft. Arme, reiche oder religiöse Menschen. Und ich bin immer bereit, mir etwas anzuhören. Ich setze mich gern mit einem Rassisten an einen Tisch und lasse mir erklären, warum der so ist, wenn ich dadurch dazu beitragen kann, dass er seine Sicht ändert und ich etwas mitnehmen kann.
Ist es überhaupt glaubhaft, wenn im deutschen HipHop über Ghettos gerappt wird?
Klar gibt es in Deutschland miese Gegenden. Aber das ist nicht vergleichbar mit Frankreich, Brasilien oder Amerika. Die Leute, die auf Ghettoromantik abfahren, sollen da mal hinziehen. Mal sehen, ob sie bleiben. Die haben doch einfach nicht genug Selbstbewusstsein zuzugeben, dass sie sich nicht aufraffen können, etwas aus ihrem Leben zu machen. Es ist viel einfacher zu sagen: "Ich hatte sowieso nie eine Chance." Natürlich gibt es an Schulen und von staatlicher Seite aus Rassismus. Genauso klar ist, dass es keinen Spaß macht, bei Sozialämtern rumzuhängen, um 200 Euro zu betteln und sich wie der letzte Dreck behandeln zu lassen. Aber das ist kein Grund, auf alles zu scheißen. Ich hatte auch mal eine Zeit, in der ich mit miesen Leuten zusammen war. Läden wie Penny oder Aldi habe ich früher regelrecht ausgeraubt. Ich habe gesehen, wie andere fertig gemacht wurden. Einmal in meinem Leben habe ich mitgemacht und die Rechnung dafür bekommen. Derjenige, den wir damals zusammengeschlagen haben, tut mir bis heute Leid. Damals habe ich gemerkt: Ich finde es ekelhaft, wenn jemand auf dem Boden liegt, weint, sich nicht wehren kann und von Leuten zusammengeschlagen wird, die zufällig ein paar Jahre älter sind. Irgendwann wurde das für mich zur Gewissensfrage und ich habe beschlossen, es sein zu lassen.
Wie ist das passiert?
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