Pornografie

"Ein Tierarzt ist doch auch kein Hund"

Der katalanische Pornodarsteller und -produzent Conrad Son macht jetzt auch Filme für Frauen. Mit Handlung und Liebe und so. Ein Interview von Kati Krause.

"Sexe en Català" – "Sex auf Katalanisch" ist Conrad Sons Motto. Auf seiner Webseite sind hunderte von Fotos von Son mit Mädchen, meist sind sie nackt, haben sie die Beine weit gespreizt und helfen mit der Hand nach, wo die Einblicke noch nicht tief genug sind. Er steht mit einem coolen Gesichtsausdruck daneben und hält den Daumen hoch. Und dieser Mann macht Pornofilme für Frauen?

Woher weißt du, was Frauen gefällt, wo du doch in einer so männerorientierten Industrie arbeitest?

Ein Tierarzt ist doch auch kein Hund und weiß trotzdem ganz genau über Hunde Bescheid. Niemand hat ein Monopol auf Sensibilität. Eine Journalistin muss ja auch keine Biologin sein, um über Pilze zu schreiben.

Aber sie muss mit Biologen reden. Wie recherchierst du?

Die beste Art ist einfach zu leben und zuzuhören. Frauen fällt es leicht zu reden. Das Problem ist, dass ihnen keiner zuhört. Die häufigste Streitursache in Beziehungen ist ein Mangel an Kommunikation – er hört ihr nicht zu. Es ist also eine Frage der Sensibilität. Wer etwas über Frauen lernen will, muss ihnen zuhören.

Was ist der Unterschied zwischen einem Porno für Männer und einem für Frauen?

Es ist der Unterschied zwischen einem Mann und einer Frau. Ein Mann sucht die automatische Befriedigung. Deshalb geht er auch ins Bordell, wo er sich in 20 Minuten total abreagieren kann. Dass eine Frau in 20 Minuten irgendetwas abreagiert, ist ziemlich unwahrscheinlich. Dann gibt es eine Serie von Faktoren – die Musik, das Licht, die Glaubwürdigkeit der Darsteller. Wenn der Sohn älter ist als der Vater wird sie uns den Film nie abnehmen.

Aber einem Mann wäre das egal.

Das erste Problem ist, dass die Leute Sex mit einem Alter von 25 bis 35 assoziieren, und das ist total falsch. Den besten Sex haben Menschen über 40, denn sie wissen schon alles. Eine 60-jährige Frau sagte einmal zu mir: "Conrad, ich war so dumm als ich jung war. Ich habe mit so vielen Männern nicht geschlafen, ich praktizierte dieses und jenes nicht, weil ich glaubte, es sei falsch. Und jetzt, 35 Jahre später, merke ich was für eine Idiotin ich war!"

Es ist also eine Frage der Moral?

Viele Frauen tun gewisse Dinge nicht, weil sie es unmoralisch finden. Ein Mann hingegen kann jede Woche in den Puff gehen und keinerlei Problem damit haben. Für uns ist Sex nur eine Aktivität – für Frauen ist es eine Beziehung.

Wie macht man einen Porno für Frauen?

Man muss Frauen in ihrer Sprache ansprechen. Eine Szene muss wie ein Satz konstruiert sein. Die Handlung in einem Porno für Männer sieht so aus: vaginal, drei Positionen, anal, dann Orgasmus, entweder auf den Hintern oder ins Gesicht. Wenn das anders ist, funktioniert der Film nicht. Männer wollen keine Überraschungen. Eine Frau hingegen schon.

Kann eine Analsexszene auch Frauen antörnen?

Kommt ganz auf die Präsentation an. Frauen mögen Sex doch auch.

Aber Frauen sprechen weniger auf das rein Visuelle an.

Das stimmt. Prinzipiell gefällt es Frauen besser, wenn man zu ihnen spricht, als wenn man ihnen Geschlechtsteile ins Gesicht hält. In einem Porno für Frauen ist es deswegen wichtig, dass die Geschichte Sinn macht. Eine Frau kommt rein. Wer ist sie? Die Sekretärin? Die Schwester? Sie fangen an zu vögeln, er ruft einen anderen an, der vögelt sie auch, und wir haben keine Ahnung warum… aber weißt du was? Mir als Mann ist das total egal. Ich will nur sehen wie sie vögeln. Ein Frau hingegen wird fragen: Wer ist der denn? Und warum hat der auf einmal einen grünen Pulli an? Gerade eben trug er noch einen gelben. Solche Details sind für Frauen unheimlich wichtig.
Außerdem mögen Frauen die harte Realität nicht. Ich habe Darstellerinnen, die können ihre eigenen Filme nicht sehen. Sie mögen diese gynäkologischen Aufnahmen nicht. Wenn du also versuchst, das Offenkundige aus dem, was erfasst wird, herauszunehmen, dann hast du ein Produkt für Frauen.

Und wie bringst du das in einem Film rüber?

Meine Filme basieren immer auf einer Novelle. Das Problem ist, dass es im Porno immer nur die Gegenwart und die unmittelbare Zukunft gibt. Um die Person interessant zu machen, brauchst du aber auch die Vergangenheit und die langfristige Zukunft. Der nächste Punkt ist das Alter: Männern gefallen junge Frauen unter 35. Meine Mutter hingegen würde ein 35-Jähriger gar nicht ansprechen, der würde sie an ihren Sohn erinnern. Man muss auch darauf achten, wie die Männer sich verhalten: Ein 25-Jähriger vögelt ja nicht genauso wie ein 50-Jähriger. Ins Gesicht kommen ist tabu – das finden Frauen herabwürdigend. Wichtig ist auch die Rolle der Frau. In meinen Filmen gibt es zum Beispiel keine dummen Frauen. Und der Mann muss nicht unbedingt hübsch sein, aber auf jeden Fall interessant. Intelligente Frauen verlieben sich nicht auf den ersten Blick in einen schönen Mann, andersrum geht’s schon.

Ein anderes Thema sind Regeln. Wir dürfen nicht als normal darstellen, was in unserer Gesellschaft, mit unseren Werten, nicht normal ist. Deinen Hund zu vögeln zum Beispiel. Oder Gewalt. Das Wichtige ist aber nicht, was man zeigt, sondern wie es rübergebracht wird. Gewalt darf gezeigt werden, aber nicht als "normal" sondern als "falsch". Sex ist im Grunde genommen Wohlbefinden. Mädchen, die wenig vögeln, geht’s schlecht. Frauen können immer weniger Sex haben und am Ende ihre Lust einfach ausblasen wie eine Kerze.

Und warum glaubst du tun sie das?

Weil sie den Eindruck haben, von ihrem Liebhaber nicht geschätzt zu werden. Einem Mädchen den Schwanz zwischen die Beine zu stecken ist einfach ein physischer Akt. Für uns Männer ist es sehr einfach, unsere körperlichen und geistigen Bedürfnisse zu trennen. Für Frauen ist es fast unmöglich. Ihr Intimbereich ist nur ein Mehrwert. Und wenn sie fühlen, dass ihre Person nicht geschätzt wird, dann haben sie schnell keine Lust mehr. Deshalb mögen es Frauen auch gerne, geküsst und gestreichelt zu werden. Sonst fühlen sie sich wie Prostituierte. Sie wollen aber Teil von etwas sein.

Viele Männer würden mir jetzt sagen, ich sei ein Romantiker. Das ist lächerlich. Tantra und Kamasutra zum Beispiel sind die Ergebnisse von geistiger und körperlicher Kommunikation. Die Leute haben aber nur den mechanischen Teil übernommen, und dann wundern sie sich, warum sie die Tigerstellung nicht hinbekommen. Man muss lernen, Sex erstmal im Kopf richtig zu machen.

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32 / 2006
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