Faire Mode

Schön und gut

"Fair gehandelte Mode" – das riecht erst Mal nach Birkenstocks, Waschbär-Katalog und Ethno-Aufdruck. Mathias Ahrberg und Wiebke Hövelmeyer würden das gerne ändern.

von Jasmin Klofta

Mit ihrem Klamottenlabel "fairliebt" arbeiten sie für das Ziel, dass beim Handel mit Kleidung der Löwenanteil der Verkaufserlöse beim Produzenten landet – und nicht beim Großgrundbesitzer oder der Handelskette. "Bisher interessiert sich nur eine bestimmte Bevölkerungsgruppe für Produkte aus dem fairen Handel. Das ist dann der 40-jährige Lehrer, der im Winter mit Birkenstocksandalen im Biomarkt einkauft," fasst der 22-jährige Mathias das Problem zusammen. Was auch der Grund dafür ist, dass die Sparte der fair gehandelten Klamotten bislang sehr übersichtlich geblieben ist. So konnten zwar fair gehandelte Lebensmittel wie Kaffee oder Schokolade im letzten Jahr satte Zuwachsraten verzeichnen. Die Mode aus gerechter Produktion geht jedoch immer schlechter weg.

Mathias wollte schon lange einen Gegenentwurf zum Tribal-Print mit Räucherstäbchenduft schaffen. In seiner Heimatstadt Rheine bei Münster blätterte er fleißig in dem von seinen Eltern abbonierten Greenpeace-Magazin. Nur: "Als junger, modebewusster Mensch war es nicht die größte Erfüllung, im Greenpeace T-Shirt herumzulaufen. Alternativen gab es aber nicht." Denn auch die von Mathias geschätzten Bands verkauften T-Shirts "Made in Bangladesch". Verstanden hat er das damals schon nicht: "Irgendwie redeten alle davon, aber keiner machte was."

Als er vor zwei Jahren für seinen Zivildienst nach Hamburg zog, lernte er Wiebke kennen, die damals Modejournalismus und Medienkommunikation studierte. Die 25-Jährige brachte genau das mit, was Mathias fehlte: Ein Gefühl für Modetrends. "Grafisch bin ich eine absolute Null. Aber mit Wiebke fand ich den gesuchten kreativen Partner. Wir mussten unsere Kräfte nur noch bündeln." Gesagt, getan: Im Herbst letzten Jahres war die Idee geboren, im Frühjahr standen die ersten T-Shirts und Jutebeutel von "fairliebt" für den Verkauf bereit.

Im Internet fanden die beiden die ostafrikanische Firmenkooperative LamuLamu. Dort produzieren etwa 30 Kleinbauerprojekte alles von Baumwolle bis hin zum fertigen T-Shirt – und dabei immer "öko" und "fair". Ein fertiges T-Shirt kostet die beiden 12 Euro im Einkauf. Das ist ein Vielfaches vom dem, was Handelsketten üblicherweise zahlen. Für 20 Euro gehen die "fairliebt"-T-Shirts dann über den Ladentisch. Ihr politisches Konzept wollen die beiden aber nicht in den Vordergrund stellen, erklärt Wiebke: "Wir wollen, dass die Leute unsere Sachen kaufen, weil sie sie mögen – und dann feststellen, dass sie auch noch fair gehandelt wurden." Und auch Mathias meint: "Sonst fühlen sich alle zum Spenden aufgefordert. Spenden ist zwar gut. Aber ein Produkt zu fairen Preisen zu kaufen, ist besser."

Eine Zielgruppe hat "fairliebt" nicht. "Schöne T-Shirts kann jeder gebrauchen", sagt Mathias. Auch Wiebke will nicht, dass der kritische Ansatz in seiner Subkultur versauert: "Eigentlich produzieren wir für alle: Für die Mutter, die biologisch einwandfreie Sachen tragen möchte, oder für den Styler, dem das Motiv gefällt." Kritisch zu sein und trotzdem viele Menschen anzusprechen, schließe sich ja nicht aus.

Aber ist eine professionell geführte Marke für die Massen nicht genau das, was sie kritisieren? "Natürlich kann man unseren Ansatz als Widerspruch auslegen", meint Mathias. "Abers geht doch eigentlich darum, wann eine Marke gefährlich wird. Das geschieht dann, wenn Lebensbereiche oder Emotionen komplett von Marken eingenommen werden. Wenn es etwa heißt: Ich treibe kein Sport, sondern: Ich treibe Nike. Unsere Form der Marke ist dagegen handzahm. Wir wollen nur einen Wiedererkennungswert schaffen. Dies ist zwar eine Form des Brandings, aber nicht die von Heuschrecken-Werbern."

Leben können die beiden von dem Label bisher nicht. Für die Zukunft können sie sich zwei Szenarios vorstellen: Entweder werden dann auch die mächtigen Konzerne durch gezielte PR erfolgreich ein Gutmenschen-Image verkaufen können. Das wäre vielleicht das Ende von wirklich nachhaltig arbeitenden, kleinen Unternehmen wie "fairliebt". "Oder es kommt ein Michael Moore des Fairtrade", sagt Mathias grinsend. "Der klärt dann alle über die Produktionsbedingungen in Sweat-Shops auf und ändert damit die Einstellung der Menschen zu Fairtrade-Produkten."

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32 / 2006
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